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28.12.2009 14:29
Wenn Religion Ungerechtigkeit fördert  

Macht verdirbt Religion. Das gilt für jede Religion – wie ein Blick in die Menschheitsgeschichte zeigt. Für den Islam hat das neuerdings der im Iran lebende, zu den ranghöchsten Geistlichen zählende Groß-Ajatollah Yussef Sanei verdeutlicht. Angesichts der ungeheuerlichen Unterdrückung des Volkes durch ein unrechtmäßiges Regime und einen nicht demokratisch legitimierten Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad sagte er, das Einssein von Religion und Macht sei ein großer Schaden. Das habe er alsbald nach der Iranischen Revolution erkannt, die er Seite und Seite mit Ayatollah Khomeini durchgesetzt habe. Daher habe er sich schon 1988 aus der Regierungsarbeit zurückgezogen, denn Menschen zum Gebet anleiten und gleichzeitig regieren, das gehe nicht gut zusammen.

Sanei ist die neue Hoffnung der iranischen Opposition, seit der Groß-Ayatollah Hussein Ali Montaserie verstorben ist, der eine maßgebliche Stimme und religiöse Unterstützung der Opposition war. Sanei ergreift deutlich Partei für eine Reform des Staates und eine Änderung der religiösen Deutung. So sagt er mit Blick auf die vorenthaltenen Frauenrechte und eine gerechte Gesellschaftsordnung: „ Das ist ein großer Fehler, dass wir über etwas, das mit dem Prinzip der Gerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen ist, sagen: Gut, dann ist es eben ungerecht, aber weil die Religion es gesagt hat, akzeptieren wir es.“ Es müsse umgekehrt sein.

Sanei zufolge, kann der Islam prinzipiell nicht ungerecht sein, und wo nach heutigen Maßstäben die Religion ungerechte Regeln vertrete, müssten diese geändert werden – auch wenn dies dem Buchstaben des Koran widerspreche: „Wir müssen den Islam mit der Vernunft abwägen. Es darf nicht so sein, dass wir unseren Islam der Vernunft diktieren“. Die Religion, die er vertrete, sei für Freiheit und Demokratie. Die Geistlichen hätten ihre Heiligkeit verloren, weil sie Teil der Machtelite geworden sei, die das Volk unterdrücke. Daher gäbe es nur eine Lösung: Die strikte Trennung von Staat und Religion. Dann könnten die Reiligion und die Geistlichkeit zu ihrer eigentliche Aufgabe zurückkehren.

Was Sanei hier im Angesichts von Gewalt und Bedrohung im Iran sagt, stünde auch vielen ranghohen Vertretern der christlichen Konfessionen gut zu Gesicht, besonders katholischen und orthodoxen Würdenträgern. Sie schweigen in vielen Staaten zu Ungerechtigkeiten, verwehren in den eigenen Kirchen den Frauen den gleichen Anteil an der Ausübung des geistlichen Amtes und sind nicht bereit, die christliche Religion mit den Ansprüchen der Vernunft zu versöhnen, ohne dabei dem gesunden und nachdenklichen Menschenverstand Gewalt anzutun.
http://www.tagesspiegel.de/kultur/Iran-Ahmadinedschad;art772,2847850
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/themen/?em_cnt=2169127&
http://www.fr-online.de/top_news/2167830_Tote-bei-Demonstrationen-im-Iran-Das-Regime-schlaegt-zurueck.html

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