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27.11.2012 17:33
Patentfreies Leben: Recht wider unethische Praxis  

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass Zellen, für deren Gewinnung menschliche Embryonen zerstört werden, nicht patentiert werden dürfen. Hintergrund der Verhandlung am BGH ist ein Patentstreit zwischen der NGO Greenpeace und dem Stammzellenforscher Oliver Brüstle. Dazu sagt der Patent-Berater von Greenpeace, Christoph Then:

„Die Entscheidung des BGH stärkt die ethischen Grenzen im Patentrecht. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft stärker in ethisch unbedenkliche Verfahren investiert wird, um Stammzellen zu gewinnen. Patienten, Ärzte und Stammzellforscher sollten gleichermaßen daran interessiert sein, dass die notwendigen ethischen Grenzen im Patentrecht gewahrt bleiben.
Mit dem Urteil sind allerdings nicht alle rechtlichen Fragen endgültig geklärt. Erst die künftige Rechtsprechung wird zeigen, welche Auswirkungen das Urteil genau hat.“

Greenpeace merkt an: Das Patent (DE 19756864) erteilte das deutsche Patentamt im Jahr 1999. Es umfasst die Herstellung und Nutzung menschlicher embryonaler Stammzellen. Laut Patentschrift sollen Stammzellen auch durch das Klonen von Embryonen gewonnen werden, um Nervenzellen herzustellen.

Greenpeace klagte im Jahr 2004 gegen das Patent vor dem Bundespatentgericht, um die ethischen Grenzen im Patentrecht gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei ging es Greenpeace nicht darum, gegen die Stammzellforschung vorzugehen. Vielmehr sollen die ethischen Grenzen im Patentrecht geklärt werden, um so den Anreiz zur Kommerzialisierung menschlicher Embryonen zu verhindern. Schon im Oktober 2011 gab der EuGH in einem Grundsatzurteil den ethischen Bedenken von Greenpeace weitgehend Recht.

Können Pflanzen und Tiere - so fragt Greenpeache - "als Erfindung der Industrie angesehen und patentiert werden? Sind
menschliche Gene Entdeckungen oder Erfindungen? Wem gehört die biologische Vielfalt und ihr
Genpool? Die Patentierung von Genen und Lebewesen bringt zentrale ethische Fragen mit sich.
Doch auch die ökonomischen und sozialen Folgen für unser Gesundheitssystem sowie für den
Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor sind enorm. Bei Patenten auf Leben geht es um einen
milliardenschweren Weltmarkt, auf dem Gene, Pflanzen und Tiere, ebenso wie menschliches
Gewebe, monopolisiert und gehandelt werden".

Der Präsident des Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte Greenpeace im Interview:
"Die Haltung der Ärzteschaft ist eindeutig: Embryonale Stammzellen dürfen niemals als kommerzielles Erzeugnis verwertet werden. Die industrielle Anwendung einer Erfindung, die embryonale Stammzellen verwendet, bedeutet, dass menschliche Embryonen als banales Ausgangsmaterial benutzt werden. Dass wir einen solchen Verstoß gegen die Ethik und die öffentliche Ordnung nicht zulassen dürfen, verlangt schon die Achtung vor dem menschlichen Leben als solches.

Deutsche Ärztetage haben immer wieder bekräftigt, dass weder das menschliche Genom und Teile davon, noch Organe oder Zellen des menschlichen Körpers, also auch pluripotente Stammzellen patentierbar sein dürfen. Das Wissen um die menschliche Anatomie und das Genom des Menschen sind gemeinsames Erbe aller Menschen und dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken missbraucht werden.

Deshalb können lediglich für Verfahren und einzelne Verfahrensschritte zur Herstellung gentechnisch veränderter Medikamente Verwertungsrechte geltend gemacht werden. Menschliche Gene oder Gensequenzen dagegen sind keine Erfindungen, sondern Erkenntnisse über natürliche Gegebenheiten, die sich einer Patentierung entziehen sollten".

Die heutige Entscheidung des BGH zieht gegen die vollständigen Unterwerfung von allem , was ist und lebt, unter die Verwirtschaftlichung (Ökonomisierung) eine deutliche Grenze.

Mehr dazu: http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/patente_auf_leben/GP_Patentereport_2012_komplett_final.pdf
http://www.greenpeace.de/themen/patente/nachrichten/artikel/kein_patent_auf_menschliche_embryonen/

Für Rückfragen erreichen Sie Dr. Christoph Then unter Tel. 0151-546 38 040.

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