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06.11.2020 08:33
Bewertungen im Netz wirksam trotz häufiger Irreführung - unfaire Akteure blenden User  

>>Im Netz wird geschummelt und gelogen. Aber wie können wir uns schützen? Sieben Antworten.

Wer ist eigentlich Nutzer hasenpfote67? Ist seine Bewertung echt und was ist von ihr zu halten? Die Bewertungskultur im Netz macht die Dinge oft nur scheinbar einfacher. Sieben Tipps, die den Umgang damit erleichtern sollen:

Kann ich Bewertungen im Netz trauen?

Die von Internetnutzern niedergeschriebenen Bewertungen zu Produkten und Dienstleistungen geben im Idealfall Aufschluss darüber, ob ein Produkt den Ansprüchen genügt, ob es preislich angemessen ist und ob der Anbieter einen guten Kundenservice hat. Wie groß das Vertrauen der Online-Shopper in ihresgleichen ist, zeigen Studien: Mehr Leute vertrauen den Bewertungen im Netz als den Einschätzungen von Experten oder den Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Offenbar wird der Schwarm als intelligenter und insgesamt authentischer wahrgenommen als Einzelne. Umfragen zeigen, dass sich fast zwei Drittel der Käufer aufgrund besserer Bewertungen für ein anderes Produkt entscheiden als das ursprünglich gesuchte.

Wie viele Bewertungen sind gefälscht?

Es lässt sich nicht so einfach sagen, wie oft Verbraucher vor ihren Kaufentscheidungen in die Irre geführt werden. Klar ist aber: Gefälschte Bewertungen sind keineswegs Einzelfälle, wie das Bundeskartellamt in einer Untersuchung festgestellt hat. „Leider sind sogenannte Fake-Bewertungen ein weitverbreitetes Phänomen“, sagt Behördenchef Andreas Mundt. Was vor allem daran liegt, dass hinter gefälschten Bewertungen nicht immer nur der eine oder andere missgünstige Wettbewerber steht, sondern eine kleine Industrie. Es gibt eine Reihe von Agenturen, die falsches Lob produzieren lassen und an Hotels oder Händler verkaufen, die mit allen Mitteln positiv auf sich aufmerksam machen wollen. Auch wer etwa auf Soundcloud etwas veröffentlicht, wird postwendend von Dienstleistern angeschrieben, die gegen Entgelt „echte“ Klicks und Bewertungen versprechen. Die Hoffnung ist, dass positive Bewertungen die Umsätze steigen lassen. Der Dumme ist dann der Kunde.

Warum werden falsche Rezensionen nicht gelöscht?

Vor allem Verbraucherschützer fordern seit langem, dass Portale mehr Verantwortung übernehmen und sicherstellen, dass die veröffentlichten Bewertungen echt sind. Doch nicht jedes Portal geht rigoros vor. Manche begnügen sich damit, Schimpfworte und Verstöße gegen den Datenschutz herauszufiltern. Andere haben ein mehrstufiges Prüfverfahren und filtern sowohl automatisch wie manuell. „Portale, für die die Bewertung ein Geschäftsmodell ist, versuchen der Manipulation Herr zu werden“, sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern.
So wird beim Arzt-Patienten-Portal Jameda jede zehnte Bewertung wegen Manipulation gelöscht. Beim Urlaubsportal Holidaycheck wird etwa jede zwanzigste eingereichte Bewertung wegen Betrugsverdacht gar nicht erst veröffentlicht und ein nicht unbeträchtlicher Teil gefälschter oder verdächtiger Kommentare nach Veröffentlichung blockiert. „Gefälschte Bewertungen sind in unseren Augen Betrug am Urlauber“, sagt Georg Ziegler, bei Holidaycheck zuständig für Bewertungen. Er fordert schärfere Regeln und dass der Verkauf gefälschter Bewertungen strafrechtlich verfolgt wird.

Wie erkenne ich Fake-Bewertungen?

Vorsicht ist geboten vor Lobhudeleien voller Adjektive, die nach Werbung klingen. Auffällige Formulierungen kann man in die Suchmaschine eingeben und sehen, ob sie auch für andere Produkte verwendet wurden. Auch ausführliche Bewertungen eines gerade erschienenen Produkts sollten kritisch beäugt werden, ebenso wenn auf mehrere schlechte Bewertungen ein Schwall guter Kommentare folgt. Unseriös sind oft auch schlechte Bewertungen, in denen der Kauf eines ähnlichen Produkts von einem anderen Anbieter empfohlen wird. Hilfreich ist es auch, sich das Profil des Bewerters anzuschauen. „Es ist auffällig, wenn einer in kürzester Zeit zehn Fernsehgeräte oder Dienstleistungen an verschiedenen Orten bewertet hat“, sagt Halm. Eine Fünf-Sterne-Bewertung wegen „schneller Lieferung“ sagt nichts über das Produkt aus. Um ein abgerundetes Bild zu bekommen, sollte man auch mittelmäßige Bewertungen lesen, in denen oft sachlicher argumentiert wird als bei den positiven und negativen.

Was kann ich tun, wenn ich Schummelei entdecke?

Vorbildliche Portale machen es Nutzern leicht, eine fehlerhafte oder verdächtige Bewertung zu melden: Sie haben einen Missbrauchsmeldebutton bei jeder Bewertung installiert. Bei anderen Portalen ist es komplizierter, einen mutmaßlichen Missbrauch zu melden. Entweder ist die Meldefunktion versteckt, oder es gibt keine. Dann bleibt den Nutzern nur, über ein Kontaktformular zu kommunizieren oder eine E-Mail zu schreiben.

Soll ich selbst eine Bewertung schreiben?

Die ständigen Aufforderungen, gekaufte Produkte oder Dienstleistungen zu bewerten, mögen lästig sein. Aber es täte gut, seine Meinung kundzutun. Denn: Je mehr echte Nutzerbewertungen es gibt, desto weniger fallen die falschen ins Gewicht. Es gebe eine „Angebotslücke“, schreibt das Bundeskartellamt. Viele Nutzer würden zwar Bewertungen lesen, aber nur wenige würden selbst eine schreiben: „Die Zahl der auf diese Weise erstellten Bewertungen ist daher zu klein.“ Wer eine Rezension schreibt, hilft also der Allgemeinheit. So behalten ehrliche Kunden die Deutungshoheit.

Darf ich ein Testprodukt annehmen und bewerten?

In diesem Fall gehen die Meinungen auseinander. Die einen Marktwächter haben nichts dagegen, wenn die Verbraucher einen Anreiz bekommen, eine Bewertung zu schreiben. Ein Gutschein, ein kleiner Geldbetrag oder eine Auszeichnung als „Toptester“ seien akzeptabel. Auch kann es statthaft sein, ein neu eingeführtes Produkt kostenlos oder günstig überlassen zu bekommen und dafür eine Rezension zu schreiben. Obwohl man sich dann dem Verdacht aussetzt, aus Gefälligkeit eine positive Rezension zu schreiben. Rechtskonform sind solche beauftragten Bewertungen jedoch nur, wenn sie entsprechend gekennzeichnet sind<<.

Von Thomas Klemm, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, aktualisiert 1.11.2020

"Klemm in FAS zur Internetmogelei"

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