Am Gesetzesentwurf zum Whistleblower-Schutz der Ampel-Koalition gibt es vielfältige Kritik. Jana Ballweber berichtet dazu in der Frankfurter Rundschau am 30.7.2022 auf S. 6:
„Wissenschaftler:innen üben Kritik am Gesetzentwurf der Ampel zum Schutz von Whistleblower:innen. Wer Missstände beim eigenen Arbeitgeber aufdeckt, soll vor Kündigung oder anderen beruflichen Nachteilen geschützt werden. Das war das Ziel der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblower:innen, die 2019 auf den Weg gebracht worden war. Eigentlich hätten alle Mitgliedsstaaten die Regelung bis Ende 2021 umsetzen müssen. Doch ein entsprechender Entwurf der damaligen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) war am Widerstand der CDU gescheitert.
Nun hat Lambrechts Nachfolger Marco Buschmann (FDP) einen neuen Entwurf auf den Weg gebracht, dem das Kabinett in dieser Woche zugestimmt hat. Das Gesetz sieht vor, dass Arbeitnehmende nicht entlassen oder anderweitig benachteiligt werden können, wenn sie auf Gesetzesverstöße aufmerksam machen. Hält sich der Arbeitgeber nicht daran, haben die Whistleblower:innen Anspruch auf Schadensersatz.
Whistleblower-Gesetz: Was sieht der Ampel-Entwurf vor?
Unternehmen und Behörden müssen ab einer Zahl von mindestens fünfzig Mitarbeitenden interne Meldestellen einrichten, an die Hinweisgebende sich wenden können, wenn sie auf einen Rechtsverstoß hinweisen wollen. Der Bund selbst richtet externe Meldestellen ein, sodass Mitarbeitende frei wählen können, welcher Stelle sie ihre Informationen anvertrauen wollen.
Die Ampel hatte sich den besseren Schutz von Whistleblower:innen schon im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben. Dabei wollten SPD, Grüne und FDP sogar deutlich über die EU-Vorgaben hinausgehen: Nicht nur das Aufdecken von Verstößen gegen EU-Gesetze sollte geschützt werden, sondern auch Verstöße gegen nationales Recht und Hinweise auf „sonstiges, erhebliches Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“. Fachleute sehen unzureichenden Schutz von Whistleblower:innen
Das Problem für viele Kritiker:innen: Hinter diesem Anspruch bleibt die Koalition mit ihrem Entwurf zurück. Denn geschützt sind Hinweisgebende nur, wenn gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Wer auf die mangelnde Versorgung von Pflegebedürftigen im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Personalschlüssel berichtet oder legale rechtsextreme Äußerungen aus einer Chatgruppe der Polizei weitergibt, ist der Reaktion des Arbeitsgebers weiterhin ungeschützt ausgeliefert.
Das kritisiert auch Simon Gerdemann, der an der Universität Göttingen zum deutschen Whistleblowing-Recht forscht, in seiner Stellungnahme zum Gesetz. Er beklagt, dass nicht einmal Enthüllungen wie die von Edward Snowden zur Massenüberwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA von Buschmanns Entwurf geschützt wären, da die Überwachung nach Meinung vieler Jurist:innen nicht gegen US-amerikanisches Geheimdienstrecht verstoßen habe.
Whistleblower-Gesetz: Ein deutscher Snowden würde durchs Raster fallen
Ein deutscher Snowden würde noch aus einem anderen Grund keinen Schutz vor Repressalien seines Arbeitgebers erhalten: Informationen zu Geheimdiensten sind explizit vom gesetzlichen Schutz ausgenommen. Die Begründung: Wer über Missstände in Geheimdiensten informieren möchte, könne sich an das parlamentarische Kontrollgremium wenden. Gerdemann gibt zu bedenken, dass die Regelungen des Gremiums hinsichtlich Whistleblowings nicht den Ansprüchen der EU-Richtlinie genügen und empfiehlt, die Ausnahmen für Geheimdienste aus dem Gesetz zu streichen.
Kritik gibt es darüber hinaus an der fehlenden Verpflichtung für Unternehmen und Behörden, auch anonyme Meldungen entgegenzunehmen. Im Entwurf werden anonyme Meldungen zwar nicht ausgeschlossen; die internen Stellen müssen sie aber nicht entgegennehmen. Außerdem sollen sie eine geringere Priorität haben als Hinweise, deren Absender:innen sich zu erkennen geben.
Schutz von Whistleblowern: Kritik an Meldestellen
Die Arbeitgeber-Verbände begrüßen in ihrer Stellungnahme hingegen die fehlende Pflicht, anonyme Hinweise entgegenzunehmen. „Es muss weiter möglich bleiben, dass Unternehmen selbst darüber entscheiden können, ob sie anonyme Meldungen ermöglichen wollen. Effektive Weiterverfolgung erfordert oftmals nochmalige gezielte Nachfragen“, heißt es in dem Papier. Durch die Sicherstellung der Vertraulichkeit seien die Whistleblower:innen ausreichend geschützt. Die Arbeitgeber stören sich aber an den externen Meldestellen. Ein Unternehmen könne am besten selbst entscheiden, wie mit einem Fehlverhalten umzugehen sei. Der Entwurf wird nun im Bundestag beraten“.
"Kritik am Entwurf des Whistleblower-Schutzgesetzes"
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