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02.09.2025 12:35
Unfaire Arbeit anders bestimmen  

In meinem ersten Praktikum durfte ich manuell eine Excel-Tabelle mit 10 000 Zeilen bereinigen. Ich war schon nach wenigen Tagen so gelangweilt, dass ich das Praktikum fast abgebrochen hätte, schreibt Dennis Fischer in der Frankfurter Rundschau heute.

"Eine aktuelle Studie aus Stanford trägt den hübschen Titel „Kanarienvögel in der Zeche?“ und warnt: Künstliche Intelligenz trifft vor allem Einsteiger-Jobs. Sie kann Präsentationen auf Einsteigerniveau erstellen, juristische Texte zusammenkopieren oder Exceltabellen bereinigen. Genau jene Aufgaben also, mit denen Generationen von Berufseinsteiger:innen hingehalten wurden. Aber mal ehrlich: Waren das jemals gute Einstiegsaufgaben?

Der amerikanische Kulturanthropologe David Graeber hat solche Tätigkeiten schon 2018 als „Bullshit-Jobs“ bezeichnet. Menschenunwürdig, weil man weiß, dass sie niemandem nützen. Wenn junge Menschen ihre ersten Arbeitsmonate damit verbringen, Folien zu verschönern oder Mails zu beantworten, die niemand liest, brauchen wir uns nicht wundern, dass sie innerlich kündigen, bevor sie überhaupt im Berufsleben angekommen sind.

Bietet KI auch Chancen im Job?

Früher sah menschenunwürdige Arbeit anders aus. 2018 wurde in Bottrop die letzte Zeche geschlossen. Wer heute auf die Zahl der Grubenunglücke schaut, ist froh, dass niemand mehr sein Leben riskieren muss, um Kohle aus dem Berg zu holen. In ein paar Jahren werden unsere Kinder ähnlich fassungslos fragen: „Ihr habt acht Stunden am Tag PowerPoint gebaut? Ihr habt drei Tage lang Tabellen befüllt?“

Und genau hier liegt die Chance der KI. Sie nimmt uns diese sinnlosen Aufgaben ab. Sie verschickt Mails, die keiner lesen möchte. Sie pflegt Listen, die niemand braucht.

Junge Berufseinsteiger muss man ernst nehmen

Die falsche Antwort ist jetzt allerdings: Keine jungen Menschen mehr einzustellen. Wir dürfen Einsteiger:innen nicht länger mit Alibi-Aufgaben abspeisen, sondern sie vom ersten Tag an ernst nehmen. Wer komplexe Probleme lösen darf, Verantwortung übernimmt und eigene Ideen einbringen kann, entwickelt Motivation statt Resignation.


Schon heute zeigt der Gallup-Engagement-Index: Nur neun Prozent der Beschäftigten in Deutschland fühlen sich ihrem Job wirklich verbunden. Wenn wir die nächste Generation mit sinnvollen Aufgaben starten lassen, können wir hoffentlich dieses Muster durchbrechen. Dafür braucht es Führungskräfte, die erklären, begleiten, Vertrauen schenken. Doch genau hier entscheidet sich, ob Organisationen in Zukunft Talente gewinnen oder verlieren!"

Der Autor ist Keynote-Speaker zu Future Skills und Autor.

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