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11.09.2025 07:30
Justizministerin Stefanie Hubig will gegen verbale sexuelle Belästigung vorgehen.  

Doch „Catcalling“ ist nicht der richtige Begriff dafür, findet die Journalistin Kristina Dunz in der Frankfurter Rundschau (11.9.25, S. 6) richtiger Weise: „Jetzt also „Catcalling“. Noch so ein Begriff, der leicht in die Irre führt und das Übel nicht an der Wurzel packt. Es handelt sich nämlich bei verbaler sexueller Belästigung, gegen die die neue Justizministerin als eine ihrer ersten Amtshandlungen vorgeht, nicht um Miezen, sondern um Mädchen und Frauen. Und es geht auch nicht um harmloses Hinterherschnalzen.

Den Begriff „Catcalling“ sollte Stefanie Hubig (SPD) deshalb als Erstes durch eine treffende Bezeichnung ersetzen. Dann gewinnt die Debatte vielleicht eher die Aufgeschlossenheit in der Gesellschaft, sich in Zeiten internationaler Kriegsbedrohungen und nationaler Wirtschaftskrise auch dieses Problems bewusst zu machen.

Es gibt eine Grenze, an der ein Kompliment endet und die Verletzung von Gefühlen beginnt und verbale sexuelle Belästigung traumatisierend ist. In erster Linie trifft es Mädchen und Frauen, die sich schwer wehren können und genau deshalb in der Regel von Männern ins Visier genommen werden.

Jedes Bemühen, das zu unterbinden, ist richtig. Im Idealfall würde ein neuer Straftatbestand (vermutlich eine Geldbuße), wie ihn Hubig unter Berufung auf den Koalitionsvertrag prüfen will, Männer (in seltenen Fällen sind es Frauen) von dreckigen, einschüchternden Sprüchen abhalten.

Im schlechtesten Fall wird das Ringen zwischen SPD und Union jetzt aber dazu führen, dass Menschen – ob aus Wut oder tatsächlicher Verunsicherung – sagen, dass man ja nichts mehr sagen darf.

Wir müssen uns etwas bewahren: einen ganz normalen Umgang zwischen den Geschlechtern. Anerkennung ist schön, sexuelle Belästigung ist schlimm. Das wissen alle. Deshalb dürfen wir uns weiterhin echte Komplimente machen und Verbal-Tätern sagen, dass sie ihr Maul halten sollen.

Die SPD hat die Forderung nach neuen Strafen für verbale sexuelle Belästigung verteidigt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er sehe kein Problem mit der Abgrenzbarkeit zu „normalen“ Komplimenten. „Das halte ich für eine Scheindebatte, die ein existierendes Problem lächerlich machen will.“ Er vertraue darauf, dass die Justiz das gut gegeneinander abwägen könne - so wie Richter:innen es auch bei Beleidigungen jeden Tag täten.

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte zuvor einen neuen Straftatbestand für verbale sexuelle Belästigung – sogenanntes „Catcalling“ – vorgeschlagen. Der Koalitionspartner ist allerdings skeptisch, ob es der richtige Weg ist, dies explizit unter Strafe zu stellen.

Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Susanne Hierl (CSU), sagt: „Es ist beschämend, wie häufig Frauen Opfer von respektlosem und verletzendem Verhalten werden.“ Es gebe aber bereits verschiedene Straftatbestände wie Beleidigung und Nötigung, um dagegen vorzugehen. Gegen Äußerungen, die unter die Schwelle der bereits existierenden Kriterien fielen, werde es nur schwer möglich sein, Regeln zu finden, die sich in der Praxis umsetzen ließen. „Neue Straftatbestände führen nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit, sondern können auch Unklarheiten schaffen“.

Es sei im Koalitionsvertrag aber vereinbart, die Frage zu prüfen. Und wenn das Justizministerium dazu konkrete Vorschläge mache, werde man sich die ansehen. Die SPD betont, dass nicht jedes unerwünschte Kompliment, nicht jedes Nachpfeifen, Kussgeräusch oder Stöhnen gleich sanktioniert werden soll, sondern nur „erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen“. Aber wie lässt sich die Grenze ziehen?

Vorfälle gibt es jedenfalls viele. In sozialen Medien teilen Frauen aus verschiedenen Städten auf Accounts unter dem Namen „catcallsof…“ reihenweise ihre Erfahrungen mit vulgären Kommentaren oder sexuellen Einschüchterungen im öffentlichen Raum: Ein Mann, der eine Frau in der U-Bahn anstarrt und sich an den Penis fasst. Ein vorbeifahrendes Auto, aus dem jemand brüllt: „Zeig mal deine Pussy“. Ein Fußgänger, der im Vorbeigehen sagt: „geiler Arsch“ oder „man kann deine Nippel sehen.“ Ein Fahrradfahrer, der eine junge Frau umkreist und dabei obszöne Kommentare macht.

Was von solchen Beispielen aus Hubigs Sicht strafbar sein sollte, muss die Ministerin nun durchdeklinieren".

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