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21.05.2025 14:49
Hat Frankreichs Regierung Nestlés Mineralwasser-Skandal vertuscht? Regierung soll von „massiver Betrügerei“ der Verbraucher gewusst haben
Nestlé wird vorgeworfen, Mineralwasser wie Perrier nachbehandelt und irreführend als „natürlich“ vermarktet zu haben. Nun steht Frankreichs Regierung im Fokus, schreibt die Frankfurter Rundschau am 20.5.25.

"Mineralwasser mit dem Zusatz „natürlich“ darf diesen einer EU-Vorschrift zufolge nur tragen, solange das Produkt gänzlich unbehandelt bleibt. Dagegen hat der Konzern Nestlé mutmaßlich verstoßen, indem er offenbar jahrelang unerlaubte Filter zur Behandlung seines Wassers einsetzte. Betroffen ist vor allem die Marke Perrier, daneben macht der Skandal aber auch vor anderen Mineralwassern der Marke Nestlé keinen Halt. Nun gibt es einen neuen schweren Vorwurf. Dieses Mal richtet er sich an die französische Regierung.

Im Zuge des Rechtsstreits um mutmaßlich illegal behandeltes Mineralwasser wirft eine Untersuchungskommission im französischen Senat der Regierung des Landes „Vertuschung“ vor. „Der Staat hat es an Transparenz fehlen lassen mit Blick auf die lokalen und europäischen Stellen, aber auch mit Blick auf die Bevölkerung“, heißt es in einem am Montag (19. Mai) veröffentlichten Bericht einer Untersuchungskommission des Senats in Paris, wie die französische Nachrichtenagentur AFP nun berichtet. Das sei eine „bewusste Strategie“ gewesen.

Vermarktet wird Perrier als Wasser mit einzigartiger Spritzigkeit und als „Art de vivre à la française“, also als Ausdruck französischer Lebensart. Doch die Untersuchungskommission im französischen Senat kam nun zu dem Schluss: „Das verkaufte Produkt entsprach nicht dem Etikett“, wird der Vorsitzende der Kommission, Laurent Burgoa, von der Tagesschau zitiert. „Es gab hier also eine Täuschung der Verbraucher. Statt natürlichem Mineralwasser tranken sie normales, aufbereitetes Getränkewasser.“
Nestlé soll Mineralwasser wie Perrier entgegen EU-Richtlinie nachträglich gefiltert haben

Zwar ging davon kein Gesundheitsrisiko für Konsumentinnen und Konsumenten aus, doch von Transparenz gegenüber Endverbrauchern zeugt das mutmaßliche Handeln der Nestlé Unternehmensführung gewiss nicht. Ausgangspunkt für die zu Unrecht eingesetzte Nachbehandlung des Mineralwassers sollen ursprünglich Verunreinigungen des Quellwassers gewesen sein. Auch Quellen anderer Nestlé-Marken, etwa Vittel und Contrex, sollen davon betroffen gewesen sein.

Ans Licht kam die mutmaßliche Affäre Anfang 2024 durch Berichte der Zeitung Le Monde und des Senders France-Info, demzufolge Nestlé Waters 0,2 Mikron feine Filter (ein Mikron ist ein Millionstelmeter) verwende, um seine Mineralwasser von Verunreinigungen zu befreien. „Obwohl die Desinfektion des Wassers eine Täuschung der Verbraucher darstellte, hatte dies keine juristischen Folgen“, schreiben die Senatorinnen und Senatoren weiter.

Frankreichs Regierung wird vorgeworfen, Mineralwasser-Skandal unter den Tisch gekehrt zu haben

Nachdem Nestlé bereits 2020 Verunreinigungen in den Quellwassern seiner Produkte festgestellt hatte, soll die Unternehmensführung in Kontakt mit der französischen Regierung getreten sein. Anstatt Maßnahmen auf Grundlage der EU-weiten Mineralwasser-Richtlinie zu treffen und die Filtration einzuschränken oder die Bezeichnung „natürliches Mineralwasser“ betroffener Nestlé-Produkte zu streichen, sollen Behörden dem Konzern die Reinigung der Mineralwasser mit Mikrofiltern gestattet haben, was der europäischen Richtlinie widerspricht.

Marie Dupin von Radio France sagte vor dem Untersuchungsausschuss des Senats, in dieser Affäre habe die französische Regierung ihre Pflichten missachtet, weil sie die Verfahrensweisen Nestlés zum Vorteil des Konzerns nicht vor Gericht gebracht hätte. Aus dem Bericht der Untersuchungskommission im französischen Senat ging darüber hinaus auch hervor, dass eine Liste der im Wasser der Perrier-Quellen entdeckten Verunreinigungen, wie Bakterien und Pflanzengifte, nicht in einen Bericht der regionalen Gesundheitsbehörde aufgenommen wurde.

Auch die Organisation Foodwatch wirft Frankreichs Regierung vor, „eine massive Betrügerei gedeckt zu haben“. Dies habe es Nestlé ermöglicht, „weiter betrügerischen Produkte zu verkaufen“, wie Ingrid Kragl, Kommunikationsleiterin der Organisation, gegenüber Reuters betonte. Am Perrier-Standort im südfranzösischen Vergèze fürchten rund Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Anstellung. Denn die Quellen entsprechen wegen Verunreinigungen offenbar nicht mehr den Normen natürlichen Mineralwassers. Bis Anfang August hat die Präfektur in Gard, Frankreichs ärmsten Departement, Nestlé noch eine Lizenz zur Abfüllung seines natürlichen Mineralwassers gegeben. Um den Standort zu retten, sollte der Konzern bis dahin eine Lösung im Mineralwasser-Skandal finden".

13.05.2025 06:55
Nestlés Mineralwasser in scharfer Kritik
Nestlé hat Mineralwasser wie Perrier und Vittel jahrelang mit illegalen Methoden gereinigt. Die Anlagestiftung Ethos will nun dem Nestlé-Verwaltungsrat die Entlastung verweigern. berichtet die NZZ (Neue Züricher Zeitung). Und:

"Nestlé ist in letzter Zeit wegen des abrupten Chefwechsels vom vergangenen Jahr in den Schlagzeilen gewesen. Doch nun treten wieder Sachfragen in den Vordergrund. Vor der Generalversammlung am Mittwoch holt ein Thema den Nahrungsmittelkonzern ein: das Wasser.
Die Schweizer Anlagestiftung Ethos kritisiert den Nestlé-Konzern für seinen Umgang mit dem Mineralwasser-Skandal in Frankreich. «Nestlé informiert ungenügend», erklärt der Ethos-Direktor Vincent Kaufmann im Gespräch. Der Konzern habe jahrelang illegale Behandlungsmethoden für Mineralwasser angewendet. «Aber weder im Jahresbericht 2024 noch im Nachhaltigkeitsbericht liefert Nestlé Informationen dazu, obwohl das Unternehmen im vergangenen Jahr eine Busse von zwei Millionen Euro bezahlt hat.» Ethos empfehle deshalb, dass die Aktionärinnen und Aktionäre an der Generalversammlung dem Verwaltungsrat für das Jahr 2024 keine Entlastung erteilten. Damit blieben etwa Schadenersatzklagen möglich.

Illegale Methoden bei Perrier, Vittel und Henniez

Der Mineralwasser-Skandal hat hohe Wellen geworfen. Anfang 2024 wurde bekannt, dass Nestlé Waters bis 2022 Methoden wie Aktivkohlefilter, Mikrofiltration oder UV-Licht verwendet hatte, um Mineralwasser zu reinigen. Das passierte nicht nur bei Marken wie Perrier oder Vittel in Frankreich, sondern auch bei Henniez in der Schweiz.

Man habe so sicherstellen wollen, dass die Lebensmittel für die Konsumenten stets sicher gewesen seien, verteidigte sich Nestlé. Doch die Praktiken waren gegen das Gesetz: Wenn ein Produkt als «natürliches Mineralwasser» verkauft wird, darf es nicht behandelt werden, sondern es muss ursprünglich rein aus den unterirdischen Quellen in Flaschen abgefüllt werden.

Französische Politik wird aktiv

In Frankreich hat der Fall eine politische Dimension erreicht. Kritiker werfen Präsident Emmanuel Macron und seinem Umfeld vor, früh von den Vergehen gewusst, aber nichts unternommen zu haben. Der französische Senat hat eine Untersuchungskommission eingesetzt. Vor Gericht ist eine Klage der Organisation Foodwatch gegen Nestlé wegen mutmasslicher Täuschung von Konsumenten hängig.

Im Konflikt steht Nestlé auch mit lokalen Behörden. Seit der Konzern die illegalen Behandlungsmethoden nicht mehr anwendet, scheint es Probleme mit der Wasserqualität zu geben. Die Gesundheitsbehörde des Département Gard hat bei einer Untersuchung offenbar Keime im Wasser gefunden. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob die Behörde Nestlé die Bewilligung entzieht, das berühmte Perrier-Wasser in Südfrankreich weiterhin als «natürliches Mineralwasser» zu verkaufen. Nestlé hat versichert, man halte die gesetzlichen Vorgaben ein.

Welche Verantwortung trägt der Verwaltungsrat?

Die Schweizer Ethos-Stiftung stört, wie Nestlé mit dem Fall umgeht. «Nestlé hat mit seinem Wassergeschäft ein Glaubwürdigkeitsproblem», sagt Kaufmann. Die Aktionäre hätten ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie gross dieses Problem sei. «Wir wollen wissen, wer verantwortlich war, was die Risiken für das Unternehmen sind und welche Massnahmen ergriffen wurden. Hat beispielsweise der Verwaltungsrat seine Verantwortung für die Überwachung der Geschäfte wahrgenommen?» Darüber müsse der Konzern transparent informieren.

Ein gewisser Sinneswandel scheint bei Nestlé indessen schon stattgefunden zu haben. Der Nestlé-Chef Laurent Freixe hat sich vor Wochenfrist einer Anhörung im Untersuchungsausschuss des französischen Senats gestellt. Freixe – selbst Franzose – sagte, Nestlé bedauere die Vorfälle zutiefst; diese seien nicht im Einklang mit den Werten des Konzerns gestanden. Gleichzeitig kündigte Freixe eine «interne Untersuchung in Frankreich» an. Die anwesenden Parlamentarier lobten, Freixe’ Auftritt zeige, dass Nestlé weniger defensiv agiere als früher.

Wassergeschäft als Fremdkörper im Konzern

Es geht auch kommerziell um viel. Nestlé hat sein Wassergeschäft jüngst in eine eigenständige Einheit ausgelagert und sucht jetzt nach Finanzinvestoren, die einen Teil der Sparte übernehmen. Das Wassergeschäft könnte dabei mit 5 Milliarden Euro bewertet werden. Doch manche Investoren üben sich womöglich in Zurückhaltung. «Wenn der Fall nicht aufgeklärt ist, könnte dies einen Einfluss auf den Verkaufspreis von Nestlé Waters haben», sagt der Ethos-Direktor Kaufmann.

Immer wieder wird spekuliert, dass Nestlé das Wassergeschäft mittelfristig ganz verkaufen könnte. Dies einerseits, weil das Wachstumspotenzial klein, die Marge gering und die öffentliche Kritik gross ist. Anderseits wirkt die Wassersparte zunehmend wie ein Fremdkörper im Konzern.

Der Firmenchef Freixe räumte bei der Anhörung vor dem französischen Senat ein, das Wassergeschäft sei «sehr verschieden» von Nestlés anderen Aktivitäten. Die Kernkompetenz des Unternehmens ist die Verarbeitung von Lebensmitteln. Aber «natürliches Mineralwasser» ist von Gesetzes wegen ein Produkt, das nicht behandelt werden darf. Die Abfüller sind von den Launen der Natur abhängig und davon, was an der Oberfläche über den Quellen passiert. Ein Problem ist, dass Rückstände aus der Landwirtschaft, wie Pestizide oder Fäkalbakterien vom Düngen, in die Quellen gelangen können. Nestlé wandte deshalb nicht nur die Filtermethoden an, sondern setzt sich seit Jahren auch für Umweltschutz oberhalb der Wasserquellen ein.

Die Anlagestiftung Ethos dürfte mit ihrem Vorstoss, den Nestlé-Verwaltungsrat wegen des Umgangs mit dem Mineralwasser-Skandal nicht zu entlasten, wenig Chancen haben. Aktionäre verweigern eine Entlastung meist nur in Ausnahmefällen. Aber das Thema ist die Nestlé-Führung damit nicht los. Für den Konzernchef Freixe bleibt das Wassergeschäft eines der drängendsten Probleme, die er in den nächsten Monaten lösen muss.

03.05.2025 12:53
Schluss mit Fast Fashion und Ultra Fashion - jetzt
WeMove Europe, Amis de la Terre und Emmäus fordern auf: Fast Fashion- und Ultra Fast Fashion-Marken wie Shein, Temu, Primark und Zara repräsentieren das Schlimmste, was die Modeindustrie zu bieten hat. Ihre Praktiken dürfen nicht ungestraft bleiben. Wir fordern, dass die wahren Umweltauswirkungen von Fast Fashion-Produkten für die Bürger*innen vollständig transparent gemacht werden.

Wir fordern die Europäische Kommission auf:

Unterstützen Sie die von Frankreich geplante Methode zur Umweltkennzeichnung in ihrer jetzigen Form. Diese Methode bewertet die Umweltauswirkungen jedes Produkts und zeigt die Auswüchse von Fast Fashion auf.
Verwenden Sie diese Methode auch für die Berechnung der Umweltauswirkungen von Kleidung auf europäischer Ebene. Sie ist effektiver als die von der EU geplante Methode, die zu sehr von den Lobbys der Privatwirtschaft beeinflusst wird und damit zu einer viel zu günstigen Bewertung von Fast Fashion-Produkten führt.
Machen Sie diese Umweltkennzeichnung für alle in der Europäischen Union verkauften Textilien und Schuhe verbindlich und verhängen Sie für die umweltschädlichsten Produkte finanzielle Sanktionen.

29.04.2025 11:48
Profitgier bei Nestlè
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) reagiert mit scharfer Kritik auf die Ankündigung von Nestlé, die Werke in Neuss bis August 2026 und Conow bis Anfang 2026 schließen zu wollen. Dies sei unverantwortlich gegenüber den 234 Beschäftigten (151 in Neuss, 83 in Conow).

Guido Zeitler, Vorsitzender der NGG, dazu: „Nestlé will Werke schließen, obwohl die Umsätze weltweit gestiegen sind. Nestlé ist ein hochprofitabler Konzern. Die Schließung erfolgt, um diese Profitabilität noch weiter zu steigern, also aus reiner Profitgier auf Kosten der Beschäftigten. Wir fordern die Konzernleitung auf, diesen radikalen Schritt zu unterlassen und ihrer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden an den Standorten Neuss und Conow nachzukommen.“

Andreas Zorn, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates der Nestlé Deutschland AG und Betriebsratsvorsitzender des Werkes in Neuss ergänzt: „Es ist unerträglich, dass Beschäftigte die Konsequenzen der völlig verfehlten Managementstrategie eines Großkonzerns tragen sollen. Die Schließung insbesondere des Thomy-Werkes Neuss wird konzernseitig damit begründet, dass in der Vergangenheit leider Investitionen unterblieben seien. Das ist hochgradig zynisch gegenüber uns als Betriebsrat. Wir haben immer wieder genau darauf hingewiesen, Nestlé hat blockiert. Und nun sollen wir Beschäftigte und unsere Familien die Konsequenzen tragen, vor die der Konzern uns alternativlos stellt. Noch unverfrorener wird die Konzernerzählung, wenn die Schließung des Standortes Neuss nun Investitionen in unsere Produkte an anderen Standorten finanzieren soll. Wir werden gegen dieses absurde Theater eines höchst profitablen Großkonzerns Widerstand leisten. Investitionen ja bitte – aber an den Standorten Neuss und Conow!“

Carolin Jakob, Betriebsratsvorsitzende des Werkes in Conow ergänzt: „Gestern hat uns Nestlé in Conow noch gefeiert, als besonders agil, flexibel und kompetent. Als beispielhaftes Testlabor des Konzerns und Produktionsstätte für kleine Serien von zum Teil ausgefallenen Lebensmitteln. Das soll heute plötzlich anders sein? Das kann nicht stimmen. Das ist auch heute noch so! Unsere Produkte sind profitabel – daran gibt es keinen Zweifel! Und wir produzieren eine vegetarische Innovation: Vuna. Aber: Dass ein neues Produkt ohne relevante Marketingmaßnahmen nicht gleich den kapitalmarktgetriebenen Profiterwartungen von Nestlé entsprechen kann, ist doch klar. Und das Produkt soll laut Nestlé auch nicht eingestellt werden, sondern an einen anderen Standort verlagert werden. Apropos Standort. Wir leben hier in einer schönen Region, die ist aber das, was man strukturschwach nennt. Vergleichbare Industriearbeitsplätze gibt es für uns nicht. Deshalb darf es keine andere Antwort geben: Maggi Conow bleibt! Thomy Neuss bleibt!

Die NGG kritisiert darüber hinaus, dass Nestlé in Deutschland immer weniger auf regionale Wertschöpfung setze und stattdessen auf Konzentration und Outsourcing von Arbeitsbestandteilen an externe Dienstleister. Dazu sagt Zeitler: „Mit jeder weiteren Schließung entfernt sich Nestlé weiter von seinem eigenen Versprechen, eine weltweite Marke zu sein, die regional produziert und ausgeliefert wird.“

Wie ein schlechter Scherz klingen die Schließungspläne, liest man auf der Webseite, wie Nestlé dort den Standort Conow bewirbt: „Wir sind in der Region verwurzelt und gerne hier. Wer Lust auf eine familiäre Arbeitsatmosphäre in einer tollen Umgebung hat, ist hier richtig…“ Ähnliche Versprechungen gibt Nestlé ihren Konsumenten zum Werk Neuss: „Mit Zutaten, die man aus dem Kühlschrank kennt, nachhaltig vom Feld bis auf den Teller.“ Als NGG fragen wir die Verantwortlichen bei Nestlé: Wie bringt ihr Familienfreundlichkeit und Nachhaltigkeit mit Werksschließungen und Kündigungen zusammen?

Seit 2014 hat Nestlé wiederholt durch den Verkauf von Marken und eingegangene Joint Ventures negative Schlagzeilen gemacht. Seitdem sind über 2.500 Jobs verlorengegangen.

Guido Zeitler: „Wir fordern das Unternehmen auf, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam an einer tragfähigen Zukunft zu arbeiten – für die Beschäftigten, die Standorte und für die Regionen, in denen Nestlé bisher aktiv ist.“

Kontakt für die Presse: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Savannah Guttmann, Tel.: 040 – 38013106; E-Mail: [email protected]

25.04.2025 08:18
Geringe Fairness bei der elektronischen Patientenakte EPA
Menschen mit Behinderung werden bei der elektronischen Patientenakte vielfach ausgeschlossen. In der kommenden Woche soll die elektronische Patientenakte (EPA) in ganz Deutschland eingeführt werden. Doch der Sozialverband VdK sieht das Projekt durch fehlende Barrierefreiheit und anhaltende Sicherheitsbedenken bedroht.

Nach langem Hin und Her steht fest, dass der bundesweite Rollout der elektronischen Patientenakte am 29. April beginnt. Nach einer Übergangsphase soll die Nutzung der EPA ab dem 1. Oktober für Apotheken und Praxen zur Pflicht werden. Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurden inzwischen mehr als 70 Millionen elektronische Akten angelegt, über 90 Prozent der Praxen seien bereits »EPA-ready«.

Doch neben anhaltenden Sicherheitsbedenken gibt es weiter Kritik an dem großen Digitalisierungsprojekt. So beklagt der Sozialverband VdK, dass die Krankenkassen bei der Umsetzung der EPA nicht von Anfang an zur Barrierefreiheit verpflichtet wurden.

"Aktuell sieht es so aus, dass Menschen mit einer Behinderung vielfach von der Nutzung der EPA ausgeschlossen werden, weil der Zugang zur EPA nicht barrierefrei ist. Dieser Ausschluss von Patientinnen und Patienten mit einer Behinderung ist eine nicht hinnehmbare Benachteiligung«, erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele in einer Pressemitteilung.

EPA für Menschen mit Behinderung besonders wichtig

Das sei besonders problematisch, da die EPA vor allem für Menschen mit Behinderung, die oft an mehreren schweren Erkrankungen litten, eine Bereicherung seien könne. »Teilhabe ist kein Geschenk an eine Minderheit, sondern eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Fairness und muss im Gesundheitssystem zwingend gegeben sein. Wir fordern daher dringend eine schnelle Lösung des Problems, damit Menschen mit Behinderung keine Nachteile haben«, so die Präsidentin des VdK.

Grundsätzlich begrüßt der Sozialverband allerdings die Einführung der elektronischen Patientenakte: »Alle wichtigen Gesundheitsdaten – wie Arztbriefe oder Befunde – sind an einem Ort gespeichert und beim Arztbesuch sofort abrufbar. So können beim Besuch verschiedener Arztpraxen unter anderem unnötige Doppeluntersuchungen vermieden und gefährliche Wechselwirkungen von Medikamenten verhindert werden«, erläutert Bentele.

Neben der fehlenden Barrierefreiheit seien auch die anhaltenden Sicherheitsbedenken eine Gefahr für den Erfolg des Digitalisierungsprojekts: »Auch wenn der geschäftsführende Bundesminister für Gesundheit betont, dass Sicherheitslücken geschlossen wurden, verspüren viele Menschen dennoch einen Rest von Unsicherheit. Schließlich haben die meisten nach wie vor die Warnungen von Computerspezialisten und verschiedenen Organisationen aus dem Gesundheitswesen im Ohr, dass die Datensicherheit nicht gewährleistet sei«, sagt die VdK-Präsidentin. Das Wissen um die Datensicherheit müsse dringend bei den Nutzerinnen und Nutzern ankommen, damit die EPA ein Erfolg werden kann.

11.04.2025 15:34
Journalistische Sorgfalt versus Desinformation - Zeitungen filtern erfolgreich Fake News


Fake News sind allgegenwärtig, doch gedruckte und digitale Zeitungen bleiben ein Garant für geprüfte Qualität. 85 Prozent der Deutschen haben bereits Erfahrungen mit Falschnachrichten gemacht, aber nur acht Prozent sind in Zeitungen darauf gestoßen.

Das ist ein Ergebnis der heute veröffentlichten Studie „Zeitungsqualitäten 2025“, die die Zeitungsmarktforschung Gesellschaft (ZMG) im Auftrag des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) durchgeführt hat. Sie betont die herausragende Rolle der Zeitungen als zuverlässiges Informationsmedium.

Hauptquelle für Fake News ist das Internet: 78 Prozent der Befragten begegneten dort Desinformation, besonders in sozialen Netzwerken (67 %) und auf Video-Plattformen (53 %). Redaktionell betreute Nachrichten bieten dagegen geprüfte Qualität: Nur neun Prozent berichten von Fake-News-Erfahrungen auf Zeitungswebsites. Laut Studie legen 80 Prozent der Befragten großen Wert auf eine verlässliche und glaubwürdige Berichterstattung - Werte, die Zeitungen seit Jahrzehnten verkörpern.

„Redaktionen prüfen Fakten, recherchieren unabhängig und stehen für fundierte Berichterstattung. Die Studienergebnisse zeigen, wie essenziell journalistisch geprüfte Inhalte für eine informierte Gesellschaft sind“, sagt BDZV-Hauptgeschäftsführer Dr. Jörg Eggers. „Zeitungen und ihre digitalen Angebote garantieren faktenbasierte Berichterstattung – gerade in Zeiten, in denen Desinformation Hochkonjunktur hat.“

Stark im Lokalen

Die Studie zeigt, dass immer mehr Menschen Zeitungen digital nutzen. Mit einer Reichweite von 77,3 Prozent und wöchentlich 54,5 Millionen Leserinnen und Lesern – offline und online – erreichen Zeitungen eine breite Bevölkerungsbasis, darunter auch junge Zielgruppen. Besonders lokale und regionale Angebote genießen großes Vertrauen: 93 Prozent der Befragten sehen sie als erste Adresse für lokale Berichterstattung. Gleichzeitig wächst die Bedeutung kostenpflichtiger digitaler Abonnements, was die hohe Wertschätzung für qualitativen Journalismus widerspiegelt.

Unersetzlich für eine aufgeklärte Gesellschaft

Die Studie belegt erneut die zentrale Rolle von Zeitungen für Meinungsbildung und demokratischen Diskurs. Für neun von zehn Befragten ist eine freie Presse unverzichtbar für die Demokratie. In einer unübersichtlichen Medienwelt bieten Zeitungen Orientierung und fördern fundierte, sachliche Auseinandersetzungen mit aktuellen Themen.

Für die Studie „Zeitungsqualitäten 2025“ wurden im November 2024 rund 1.000 Personen in Deutschland ab 16 Jahren online befragt. Alle Auswertungen stehen als animierte Grafiken auf www.zeitungsqualitäten.de zum freien Download bereit.

05.04.2025 15:27
Kaufland: Märkte mit gravierenden Mängeln und Gefahren für Lebensmittelsicherheit
Eine investigative Recherche zeigt: In vielen Kaufland-Märkten gibt es gravierende Mängel bei der Lebensmittelsicherheit. Von manipulierten Haltbarkeitsdaten bis hin zu Mäusebefall – die Ergebnisse sind besorgniserregend. Jetzt hat sich der Deutschland-Chef der Supermarktkette zu den Vorwürfen geäußert.

Mäusekot in der Backwarenabteilung, verschimmelter Käse sowie Fäkalkeime auf Hähnchenfleisch: Aktuelle Enthüllungen über mutmaßliche Hygienemängel bei Kaufland sind alarmierend. Ein Reporterteam von "Stern" und RTL hat in 48 von 50 untersuchten Märkten gravierende Mängel bei der Hygiene und der Lebensmittelsicherheit aufgedeckt. Nun zieht die Supermarktkette Konsequenzen.
Das sind die Vorwürfe gegen Kaufland
Für die Recherche arbeiteten zwei Reporterinnen verdeckt in zwei Kaufland-Filialen. Sie stießen dabei auf gravierende Missstände: Im bayerischen Bad Tölz etwa soll bei Produkten wie Antipasti mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum getrickst worden sein, um abgelaufene Ware weiterhin verkaufen zu können.
Inhalten.

Außerdem soll verschimmelter Käse für den Verkauf "aufgehübscht" worden sein: Die Reporterin habe die Anweisung bekommen, den Schimmel abzuschneiden und die verbliebenen Reste in den Kühltruhen der Selbstbedienung auszulegen – mit neuem Mindesthaltbarkeitsdatum. Man könne ja nicht den ganzen Käse wegwerfen, soll eine Mitarbeiterin zu der verdeckten Journalistin gesagt haben. "Ich bin fassungslos. Möchte meine Hände die ganze Zeit waschen. Muss würgen", berichtet die verdeckte Journalistin im "Stern".

Fäkalkeime auf Hähnchen

In Homburg im Saarland soll es den Recherchen zufolge Mäuse in der Kaufland-Filiale geben: Mitarbeiter berichten von Tieren, die sich nachts in den Regalen tummeln und Reporter entdeckten in der Backwarenabteilung Mäusekot unter Brotkisten.

Gegenüber dem "Stern" räumt eine Sprecherin von Kaufland einen "Schädlingsbefall" ein. Bereits Ende des vergangenen Jahres ist laut dem saarländischen Umweltministerium ein "massiver Schadnagerbefall" festgestellt worden. Es laufe ein Ordnungswidrigkeitsverfahren.

In einem Großteil der 50 untersuchten Filialen seien außerdem etwa defekte Kühltruhen und Schimmel dokumentiert worden. Abstriche in den Kühlregalen zeigten erhebliche Mängel: In einer bayerischen Filiale wurde ein Wert von rund 3.000 koloniebildenden Einheiten festgestellt – das entspricht dem 300-Fachen des zulässigen Grenzwerts. Zudem ergaben Laboranalysen von 30 Hähnchenprodukten, dass 15 Proben Fäkalkeime (Campylobacter) aufwiesen.

Darüber hinaus stehen auch die Arbeitsbedingungen bei Kaufland in der Kritik: Mitarbeitende berichten laut "Stern" von einem enormen Arbeits- und Leistungsdruck. Bei Krankheitsausfällen würden Konsequenzen drohen.

So reagiert der Kaufland-Chef auf die Vorwürfe

Der Chef von Kaufland Deutschland, Jochen Kratz, hat sich in einem Interview mit der "Bild" zu den Vorwürfen geäußert und räumte ein: "Trotz strenger Regeln und regelmäßiger Schulungen kam es zu Verstößen." Diese müssten nun analysiert und behoben werden. In die Aufarbeitung sollen auch externe Experten einbezogen werden.

Die direkte Konsequenz: Die Filiale in Homburg wurde Kratz zufolge sofort geschlossen. "Die ursprünglich geplante Renovierung im zweistelligen Millionenbereich machen wir jetzt während der Schließzeit", sagte er. Was dort zu sehen gewesen sei, werde es so nicht mehr geben. Belegschaft und Betriebsrat seien informiert worden. Die rund 100 Beschäftigen werden während der Arbeiten bezahlt freigestellt. Der Markt soll in fünf bis sechs Monaten wieder öffnen.

In dem Markt in Bad Tölz habe es bereits umfassende Schulungen gegeben. "Aus Sicherheitsgründen haben wir zudem entschieden, die betroffene Filiale nochmals für eine Woche zu schließen", sagte Kratz. Diese Entscheidung sei am Freitag (4. April) getroffen worden. Sämtliche Abläufe und Bedingungen sollen gründlich überprüft werden: "Wir drehen alles von links nach rechts und von rechts nach links." Der genaue Zeitraum der Schließung ist bisher offen.

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte Kaufland zudem personelle Konsequenzen: In den beiden Märkten sei man bereits mit einer neuen Führung im Einsatz. Das Unternehmen kündigte außerdem an, in den kommenden Wochen alle Filialen in Deutschland einer Grundreinigung zu unterziehen und Kühlgeräte auszutauschen.

Kaufland hat seinen Hauptsitz in Neckarsulm in Baden-Württemberg. Die Supermarktkette hat nach eigenen Angaben mehr als 770 Filialen und über 90.000 Beschäftigte in Deutschland. Kaufland ist wie der Discounter Lidl ein Tochterunternehmen der Schwarz-Gruppe.

Von Alina Lingg auf Web.de

27.03.2025 10:20
Altersdiskrimierung - unfaire Behandlung wegen des Alters
Egal ob jung oder alt - einer neuen Umfrage zufolge ist fast die Hälfte der Menschen in Deutschland über 16 Jahre schon einmal wegen ihres Alters diskriminiert worden. Besonders viele Menschen sind im Job betroffen.

Fast jeder zweite Mensch in Deutschland über 16 Jahre hat schon einmal Altersdiskriminierung erfahren. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GMS gaben 45 Prozent der Befragten an, aufgrund ihres Alters benachteiligt worden zu sein.

Die Antidiskriminierungsstelle hatte die Umfrage zu Altersdiskriminierung mit über 2.000 Befragten in Auftrag gegeben. Betroffen sind demnach sowohl jüngere als auch ältere Menschen.

Jüngere berichten häufiger von Altersdiskriminierung

Am häufigsten berichteten in der Umfrage aber 16- bis 44-Jährige von Ausgrenzung aufgrund ihres Alters: Hier gaben 52 Prozent der Befragten an, mindestens einmal eine solche Erfahrung gemacht zu haben. Bei den über 65-Jährigen waren es mit 35 Prozent deutlich weniger.

Dass die Quote der Betroffenheit mit steigendem Alter sinkt, lässt sich laut der Untersuchung "unter anderem mit einer stärkeren Sensibilität gegenüber gesellschaftlichen und persönlichen Ungleichbehandlungen unter Jüngeren" erklären. Über alle Altersgruppen hinweg gaben lediglich sechs Prozent der Befragten an, dass sie "häufig" Altersdiskriminierung erleben.
Altersdiskriminierung beruht auf der Annahme, dass Menschen bestimmte Fähigkeiten entweder noch nicht oder nicht mehr besitzen. Das Problem scheint vor allem Menschen im Arbeitsleben zu treffen: 39 Prozent der Betroffenen gaben an, im Job wegen ihres Alters ausgegrenzt worden zu sein. "Altersdiskriminierung ist ein enorm großes Problem, vor allem am Arbeitsmarkt", sagte auch die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.

Aber auch im Gesundheitsbereich mit 27 Prozent, bei Geschäften und Dienstleistungen mit 24 Prozent und auf dem Wohnungsmarkt mit 22 Prozent erlebten die Befragten diese Diskriminierung.

Trotz Fachkräftemangel: Warum Ältere es am Arbeitsmarkt oft schwer haben

Wer seine Stelle verliert und mit über 50 eine neue finden muss, hat es oft schwer. Ataman forderte die Politik zum Handeln auf: "Wir brauchen jetzt einen Nationalen Aktionsplan gegen Diskriminierung und ein Verbot von Altersdiskriminierung im Grundgesetz." Dass die bisherigen Bundesregierungen das Problem bisher weitgehend ignoriert hätten, schade vor allem Menschen, aber auch der Wirtschaft.

Ataman kündigte an, in ihrer Amtszeit bis 2027 einen Schwerpunkt auf das Thema zu legen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die betroffene Menschen berät, hat nach eigenen Angaben seit 2006 mehr als 8.600 Beratungsfälle zu Altersdiskriminierung aufgenommen.

Beispiele für Altersdiskriminierung aus der Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Eine 55-jährige IT-Expertin bekam ihren Job-Vertrag nicht verlängert. Grund: Sie sei „zu alt“.
- Ein 60-jähriger Mann erhielt kein Girokonto – nach Angaben der Bank sei seine „Dispo-Kreditwürdigkeit wegen seines hohen Alters nicht mehr sichergestellt“.
- Ein 25-jähriger Kranfahrer bekam als einziger im Team bei gleichen Leistungen keine Job-Prämie. Der Vorgesetzte begründete dies damit, dass er „noch zu jung“ sei für Prämien.
Auch fehlende altersgerechte Infrastruktur und mangelnde Barrierefreiheit im öffentlichen Raum verursachen Benachteiligungen, sodass ältere Menschen von sozialen oder kulturellen Aktivitäten ausgeschlossen werden.

"Die Studie mit Fakten und Zahlen"

21.03.2025 08:41
Rassismus ist krasse Unfairness mit tiefer und großer Reichweite
Der neue Nationale Rassismusmonitor zeigt das Ausmaß von Diskriminierung und ihre Folgen. Forschungsleiter Cihan Sinanoglu warnt vor einem Vertrauensverlust in die Institutionen. Pitt von Bebenburg führte für die Frankfurter Rundschau und veröffentlichte heute dieses Interview. Als einschneidend stellen sich Diskrimierungserfahrungen heraus, die das Vertrauen in Institutionen stören und zerstören,so dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft, sofern überhaupt möglich. kein Fundament findet. Alltäglicher Rassismus ist krasse Unfairness mit tiefer und großer Reichweite.

Rassismus und Diskriminierung sind Alltag in Deutschland, berichtet Dr. Cihan Sinanoglu, Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor. Frauen sind besonders betroffen. Erfahrungen auf Ämtern und mit der Polizei sorgen für Verunsicherung.

"Herr Sinanoglu, welche Erfahrungen machen die Menschen in Deutschland mit Rassismus und Diskriminierung?

Wir haben für den Nationalen Rassismusmonitor Menschen aus der gesamten Gesellschaft befragt, mit und ohne Migrationshintergrund. Dabei gaben 41 Prozent aller Befragten an, mindestens einmal im Monat Diskriminierung zu erleben.

Wen trifft das besonders?

Frauen werden öfter diskriminiert als Männer, und rassistisch markierte Menschen besonders oft. Wobei auch Menschen ohne Migrationshintergrund Diskriminierungs?erfahrungen machen. Aber 54 Prozent der rassistisch markierten Menschen und nur 32 Prozent der nicht rassistisch markierten Menschen erleben mindestens einmal im Monat Diskriminierung. Das ist also ein großer Unterschied von 22 Prozentpunkten.

Um welche Erfahrungen geht es dabei?

Wir haben unterschieden zwischen subtilen Erfahrungen, also wenn Betroffene sich schlecht behandelt gefühlt haben oder angestarrt wurden, und offenen Formen der Diskriminierung wie Beleidigung, Bedrohung oder Angriffen. Muslimische Frauen geben zu 61 Prozent an, dass sie subtile Diskriminierung in den letzten zwölf Monaten erlebt haben, Schwarze Männer sogar zu 63 Prozent. Offenkundige Diskriminierung sehen wir bei Schwarzen Männern zu 25 Prozent, bei asiatischen, muslimischen und osteuropäischen Frauen zu 21 Prozent. Das sind alarmierende Zahlen.

Das kann aber auch eine Unfreundlichkeit ohne rassistischen Hintergrund sein, richtig?

Ja. Aber wir haben dann nach der Ursache für die Diskriminierung gefragt. Hier sehen wir: Diskriminierung erfolgt nicht zufällig, sondern anhand rassistischer Merkmale. Am häufigsten genannt wurde die Hautfarbe – 84 Prozent der Schwarzen Menschen geben an, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert worden seien. Religion ist eine weitere Ursache – muslimische Menschen geben das zu 51 Prozent an. Und auch die Wahrnehmung als „nicht Deutsch“ wird als Grund angegeben, bei muslimischen Menschen mit 51 Prozent, bei asiatischen Menschen sogar mit 54 Prozent.

Unabhängig davon, ob diese Menschen Deutsche sind oder nicht?

Ja. Im Gegensatz dazu geben Menschen ohne Migrationshintergrund, die sich diskriminiert sehen, am häufigsten Alter und Geschlecht als Grund dafür an. Hautfarbe spielt da keine Rolle. Das spielt in die Diskussion hinein, ob es eine so genannte „Deutschenfeindlichkeit“ als Diskriminierungsgrund gibt. Das können wir empirisch widerlegen.

Wo werden die Menschen diskriminiert?

Diskriminierung gibt es in fast allen gesellschaftlichen Bereichen. Zum Beispiel im öffentlichen Raum. Aber auch in Ämtern und Behörden – das geben mehr als ein Drittel der Schwarzen Männer und der muslimischen Frauen an, um mal zwei Gruppen herauszustellen. Das ist ein sensibler Bereich, weil dort vieles über die persönlichen Schicksale entschieden wird. Im Kontakt mit der Polizei berichten muslimische Männer zu 19 und Schwarze Männer zu 18 Prozent über Diskriminierung. Auch das sind alarmierende Zahlen.

Wie repräsentativ ist Ihre Befragung?

Wir haben mehr als 9500 Menschen befragt, die Statistiken sind daher sehr aussagekräftig.

Was bewirkt Diskriminierung?

Wir sehen unter anderem, dass diese zur Belastung für die psychische Gesundheit wird. Rassistisch markierte Gruppen sind davon stärker betroffen als andere, Frauen stärker als Männer. Je mehr Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen ich mache, desto schlechter schätzen unsere Befragten ihre psychische Gesundheit ein. Menschen, die selten oder nie Diskriminierung erleben, sind viel seltener davon betroffen.

Welche Folgen hat das für die Gesellschaft?

Wir beobachten einen Vertrauensverlust in staatliche Institutionen. Bei unserer Erhebung von 2022 hatten die rassistisch markierten Menschen ein höheres Vertrauen in staatliche Institutionen als die nicht rassistisch markierten Menschen.

Das war damals schon überraschend.

Nicht unbedingt. In der Forschung geht man davon aus, dass rassistisch markierte Menschen vermehrt aus Ländern kommen, die autoritär und unter Missachtung der Menschenrechte regiert werden. Wenn sie nach Deutschland kommen, haben sie ein hohes Vertrauen in die hiesigen Institutionen. Ohne Diskriminierungserfahrungen vertrauen rassistisch markierte Gruppen um die 90 Prozent der Polizei. Mit häufigen Diskriminierungserfahrungen reduziert sich das Vertrauen drastisch. Bei der Schwarzen Gruppe fällt sie auf zehn Prozent, bei der asiatischen Gruppe noch stärker. Wir sehen den Zusammenhang zwischen Diskriminierungserfahrungen und dem Verlust an Vertrauen.

Sie haben auch rassistische Einstellungen abgefragt. Was haben Sie als Ergebnis herausgefunden?

Rassismus wird subtiler. Er tritt nicht mehr so aggressiv auf. Aber subtiler Rassismus ist bei einem Viertel der Bevölkerung vorhanden. 23 Prozent stimmen der Aussage zu, dass ethnische und religiöse Minderheiten zu viele Forderungen stellen. 22 Prozent glauben, Minderheiten profitierten mehr als ihnen zustünde. 25 Prozent finden, dass der Staat zu viele Rücksicht auf ethnische und religiöse Minderheiten nehme. Man kann sagen: Rund ein Viertel der Gesellschaft teilt rassistische Einstellungen. Das bedeutet aber auf der Gegenseite eine große Mehrheit, die diese Einstellungen nicht teilt.

Wer äußert sich rassistisch?

In der Tendenz stimmen Männer diesen Aussagen mehr zu als Frauen, ältere Menschen mehr als jüngere Menschen. Aber in postmigrantischen Gesellschaften sind rassistische Einstellungen bei allen Bevölkerungsgruppen auffindbar, auch bei migrantischen Gruppen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus Ihrer Untersuchung?

Es ist eine Gefahr für die Demokratie, wenn das Vertrauen in die Institutionen und in die Gesellschaft sinkt wegen Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus. Das sollte man mitnehmen aus diesen Befunden.

Welche Schlüsse sollte die Politik daraus ziehen?

Die Politik sollte rassismuskritische Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit systematisch ausbauen, um subtile und offene Formen von Rassismus besser zu erkennen und zu bekämpfen. Gleichzeitig braucht es umfassende Schutzmaßnahmen für Betroffene, einschließlich leicht zugänglicher Antidiskriminierungsberatung sowie unabhängiger Kontroll- und Beschwerdestellen in Institutionen. Zudem sollte die mentale Gesundheit rassistisch markierter Menschen stärker in den Fokus rücken, indem diskriminierungssensible Gesundheitsversorgung, kultursensible Therapieangebote und niedrigschwellige psychosoziale Unterstützungsstrukturen gefördert werden.

Die Diskussionen im Wahlkampf sind von vielen Betroffenen als rassistisch wahrgenommen worden, etwa wenn es um Kriminalität ging. Trägt das zu weiterem Vertrauensverlust bei?

Wir haben nicht erhoben, was die genauen Gründe für den Vertrauensverlust sind. Aber wir versuchen das zu interpretieren und Deutungsangebote zu machen. Eine wichtige Rolle spielen sicher die aufgedeckten Pläne der AfD. Die „Remigrations“-Drohung hat viele Menschen verängstigt. Das zweite ist die Art und Weise, wie wir diese Migrationsdebatte geführt haben. Nicht alles, was migrationskritisch ist, ist auch gleich rassistisch. Aber wie darüber diskutiert wurde, war in einigen Teilen ganz klar rassistisch. Ein Beispiel: Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen übertrafen sich nahezu alle Parteien in einem Überbietungswettbewerb bezüglich menschenverachtender Maßnahmen gegenüber Geflüchteten. So forderte die FDP in einem Fraktionspapier nur noch „Bett, Seife, Brot“ für ausreisepflichtige Geflüchtete, also die Rationierung von Sozialleistungen. Was ein islamistischer Anschlag zu tun hat mit den Bedingungen von Geflüchteten in Geflüchtetenheimen, wurde überhaupt nicht mehr gefragt.

Was erwarten Sie von der künftigen Bundesregierung?

Es stellt sich die Frage, welchen Stellenwert der Kampf gegen Rassismus im Koalitionsvertrag und in der neuen Regierung bekommt. Wir konnten in den letzten Monaten beobachten, wie rassistische und antisemitische Ideologien nach und nach in die Parlamente einziehen – ein erschreckender Beweis dafür, wie gesellschaftlicher Hass politische Macht erlangen kann. Es ist jetzt an der Zeit, diesem gefährlichen Trend etwas entgegenzusetzen".

18.03.2025 12:20
Verstöße gegen Vorgaben Verbraucherschützer mahnen Firmen wegen Cookie-Bannern ab
Im Netz stößt man überall auf sogenannte Cookie-Banner, mit denen die Seitenbetreiber die Zustimmung zum Datensammeln einfordern. Bei einer Untersuchung stellten Verbraucherschützer nun massenhaft Mängel fest.

Die Verbraucherzentralen in Deutschland haben knapp hundert Unternehmen abgemahnt. Nach Ansicht der Verbraucherschützer haben sich die Unternehmen rechtswidrig die Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer zum Sammeln von deren Daten beim Surfen im Web erschlichen.

Bei einer Untersuchung von 949 Websites hätten zehn Prozent der Firmen in ihren Cookie-Bannern, mit denen sie die Zustimmung zur Datenerhebung abfragen, eindeutig gegen die Vorgaben des Telemediengesetzes (TMG) und der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen. Das teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Freitag in Berlin mit.

Bei der Aktion wurden Websites aus unterschiedlichen Branchen wie Reisen, Lebensmittel-Lieferdienste und Versicherungen untersucht. Neben den eindeutig rechtswidrigen Bannern habe es auch viele Einblendungen gegeben, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegten. »Die Banner wirkten auf den ersten Blick zulässig, versuchten aber durch Tricks, die Entscheidung der Seitennutzer und -nutzerinnen zu lenken.«

»Die zunehmende Daten-Schnüffelei gefährdet die Privatsphäre.« vzbv-Vorstand Klaus Müller

Die Verbraucherschützer haben 98 Abmahnungen wegen klarer Verstöße gegen das TMG und die DSGVO verschickt. In zwei Drittel der Fälle hätten die Unternehmen inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Zu den abgemahnten Unternehmen gehören Anbieter von Essens-Lieferdiensten und Online-Musikdiensten sowie Firmen aus der Fitnessbranche.

Cookies sind kleine Textdateien, die Webseiten auf den Computern der Nutzerinnen und Nutzer hinterlegen. Sie können beispielsweise genutzt werden, um Logindaten zu hinterlegen, aber auch, die User wiedererkennbar zu machen. Mithilfe der winzigen Dateien können individuelle Profile erstellt werden, die Rückschlüsse über Surfverhalten und Vorlieben der Personen zulassen. Diese Informationen werden dann etwa verwendet, um Werbung zu personalisieren.

Der vzbv-Vorstand Klaus Müller sagte, rechtswidrige Cookie-Banner seien kein Kavaliersdelikt. »Die zunehmende Datenschnüffelei gefährdet die Privatsphäre der Verbraucher:innen und führt zum durchleuchteten Bürger.«

Im Sommer war bereits der internationale Datenschutzverein Noyb um den österreichischen Juristen Max Schrems auch in Deutschland wegen mangelhafter Cookie-Banner juristisch gegen Webseitenbetreiber vorgegangen.
mak/dpa

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