10.12.2024 10:49
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Fairness gegenüber Menschen mit psychischen Belastungen völlig unzureichend
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»Es handelt sich um Menschenrechtsverletzungen, wenn Menschen mit psychosozialen Problemen mit dem Hinweis auf eine Krankheit und ihre Folgen verwehrt wird, in einer eigenen Wohnung zu leben oder einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt anzustreben. Es ist auch eine Menschenrechtsverletzung, wenn sie sich in akuten Krisen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik behandeln lassen müssen.« Dirk Richter. Menschenrechte in der Psychiatrie
Genau heute vor 76 Jahren erfolgte die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Der 10. Dezember wird jährlich von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International genutzt, um auf die Verletzungen der Menschenrechte in den unterschiedlichen Ländern hinzuweisen.
Dass auch die psychische Gesundheit ein Menschenrecht ist, machte António Guterres letztes Jahr zum Welttag der psychischen Gesundheit deutlich: »Psychische Gesundheit ist kein Privileg, sondern ein grundlegendes Menschenrecht – und sie muss Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung sein. Die Regierungen müssen eine Versorgung bereitstellen, die die Gesundung der Betroffenen fördert und ihre Rechte wahrt.«
Wie genau es um die Menschenrechte in der psychiatrischen Versorgung bestellt ist, erörtert Prof. Dr. Dirk Richter in seinem Buch »Menschenrechte in der Psychiatrie« "Richters Buch"
Er ist sicher, dass Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie nicht mit dem Inklusionsansatz der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar sind.
Wie Prävention, Reduktion und Alternativen zu Zwangsmaßnahmen in der Praxis aussehen können, zeigen die Autor*innen Martin Zinkler, Klaus Laupichler und Margret Osterfeld in ihrem Buch »Prävention von Zwangsmaßnahmen«. Bei schwierigen ethischen Situationen in psychiatrischen Arbeitsfeldern bietet das interdisziplinär ausgerichtetes Praxisbuch »Ethik in der Psychiatrie« zusätzlich Hilfestellung. Es informiert über Grundlagen und Rahmenbedingungen und diskutiert Fälle aus dem Arbeitsalltag aller beteiligten Berufsgruppen.
Weitreichende Gedanken über die Zukunft der Psychiatrie machen sich Matthias Heißler und Arno Deister. »Psychiatrie ohne Betten« ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Alternative zur stationären Behandlung. Wie zukünftig eine ethische, soziale und partizipative Psychiatrie aussehen könnte, versucht Arno Deister im Gespräch mit engagierten Expert*innen zu beantworten.
"Zu den genannten Büchern"
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02.12.2024 14:52
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Unfairness gegenüber Menschen mit Handicap - Eine Lösung wäre möglich
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Menschen mit Behinderung finden nur schwer einen Job. 1,6 Millionen Schwerbehinderte in Deutschland haben keinen Arbeitsplatz. In Deutschland sind 1,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung nicht auf dem Arbeitsmarkt integriert, zeigt das neue Inklusionsbarometer.
Aktion Mensch kritisiert, dass jedes vierte Unternehmen gar keine Menschen mit Behinderung beschäftigt. Firmen zahlen demnach lieber eine Ausgleichsabgabe, als sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen. Menschen mit Behinderung haben am Arbeitsmarkt einer Studie zufolge schlechtere Karten als früher. Aus dieser Gruppe seien im Oktober in Deutschland 177.280 Menschen arbeitslos gewesen und damit sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor, heißt es in einer Untersuchung des Handelsblatt Research Institutes und des Vereins Aktion Mensch. Die Wirtschaftskrise gehe für Menschen mit Behinderung im Hinblick auf Chancengerechtigkeit mit einem deutlichen Rückschritt einher, sagte Christina Marx, Sprecherin von Aktion Mensch.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Situation verschärft: 2023 lag die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderung den Angaben zufolge bei durchschnittlich 11 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte höher als 2022. Schätzungsweise 46.000 Arbeitgeber hatten keine schwerbehinderten Beschäftigten, obwohl sie sie hätten haben müssen – das waren 1000 mehr als ein Jahr zuvor.
Behinderung am Arbeitsplatz - Inklusion im Berufsleben: Woran hakt es?
Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland im erwerbsfähigen Alter haben eine Schwerbehinderung, doch nur etwa ein Drittel von ihnen geht einer regulären Beschäftigung nach. Dabei gibt es eigentlich gesetzliche Regelungen. Ab 20 Mitarbeitenden sind Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Das sind den Angaben zufolge rund 179.000 Unternehmen in Deutschland. Erfüllt ein Arbeitgeber die Pflichtquote von fünf Prozent nicht, muss er für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe bezahlen.
Schlechte Konjunktur sei eine Ausrede, moniert Aktion Mensch
Der Anteil der Unternehmen, die alle Pflichtplätze besetzen, lag 2023 den Angaben zufolge nur bei 38,5 Prozent und damit 0,5 Prozentpunkte niedriger als ein Jahr zuvor. Das sei ein Tiefstwert, heißt es von Aktion Mensch. Insgesamt beschäftigt jedes vierte Unternehmen keine Menschen mit Behinderung. Die Inklusionsbarometer genannte Studie kommt seit 2013 jedes Jahr heraus, sie basiert vor allem auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Die meisten Behinderungen entstehen im Laufe des Lebens, nur drei Prozent sind angeboren.
Die Privatwirtschaft stellt relativ wenige Menschen mit Behinderungen ein. Aktion-Mensch-Sprecherin Marx sagt dazu: „Eine schlechte Konjunktur greift als Erklärung nicht weit genug – schließlich klagt die Wirtschaft zunehmend über den Fachkräfte – wie auch den Arbeitskräftemangel allgemein.“ Unternehmen besetzen die Arbeitsplätze aber nicht mit den vielen gut qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderung, moniert Marx.
Schwerbehinderte werden häufiger gekündigt als noch vor einem Jahr
Kritisch ist der Studie zufolge auch, dass die Firmen ihren schwerbehinderten Beschäftigten häufiger gekündigt haben als zuvor. Gingen beim Integrationsamt im Jahr 2022 noch rund 17.000 Kündigungen ein, so waren es 2023 schon rund 21.000. Kündigt eine Firma einem Menschen mit Behinderung, so muss dies bei dem Amt beantragt haben. Damit die Kündigung gültig wird, ist die Zustimmung des Amts nötig. Vorher wird geprüft, ob nicht doch eine Weiterbeschäftigung möglich ist, etwa mit staatlichen Zuschüssen.
In Deutschland gibt es den Angaben zufolge 3,1 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, die zwischen 15 und 65 Jahre alt sind – also weitestgehend in einem Alter, in dem sie arbeiten könnten. Rund 1,1 Millionen dieser Menschen sind bei Firmen beschäftigt, die mindestens 20 Angestellte haben. Schätzungsweise rund 200.000 Menschen mit Behinderung sind bei kleineren Firmen tätig. Abzüglich junger Menschen, die noch zur Schule gehen, und älteren Menschen, die schon in Frührente sind, sind es laut Aktion Mensch circa 1,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind.
Der Sozialverband Deutschland zeigte sich besorgt. „Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft über den Fachkräftemangel öffentlich jammern“, sagte der Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Aus Bequemlichkeit, Überforderung und anderen vorgeschobenen Gründen nutze die Wirtschaft nicht das vorhandene Potenzial von gut ausgebildeten Menschen mit Behinderung oder Schwerbehinderung. Staat und Politik schauten einfach zu. „Vom allzu oft propagierten echten „inklusiven Arbeitsmarkt“ ist Deutschland bewiesenermaßen noch meilenweit entfernt“, moniert Engelmeier.
Die Caritas sieht es ähnlich kritisch und fordert mehr Rückendeckung aus den Chefetagen. „Arbeitsuchende mit einer Behinderung haben dann Chancen auf einen Job, der ihren Stärken entspricht, wenn die Betriebskultur Diversität und Nichtdiskriminierung großschreibt“, sagt Wolfgang Tyrychter, der Vorsitzende des Caritas-Bundesverbandes Behindertenhilfe und -Psychiatrie.
RND/dpa
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22.11.2024 08:25
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Mehr Fairness im Internet - Verbot von Tracking und personalisierter Werbung
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Überwachungswerbung missachtet die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung. Die neue EU-Kommission soll mit dem angekündigten Digital Fairness Act ein Verbot von personalisierter Werbung auf den Weg bringen. Der Chaos Computer Club CCC schreibt dazu:
Datenschutz ist in Europa ein Grundrecht, die klaren Prinzipien der EU-Datenschutzgrundverordnung gehören durchgesetzt. Personalisierte Werbung mit Tracking, Profilbildung oder Verhaltensanalysen sollte daher endlich als das behandelt werden, was sie ist: ein gefährlicher Manipulationsmechanismus, der nicht normalisiert werden darf. Die Fairness gegenüber den Nutzern und schon gar nicht deren Grundrechte dürfen durch solche Überwachungswerbung weiterhin ausgehebelt werden. Sie schadet dem Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes.
Zusammen mit der Wikimedia Deutschland, dem FifF, Germanwatch und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie fordern wir: Die neue EU-Kommission soll ein Verbot von personalisierter Werbung auf den Weg bringen. Der erst kürzlich angekündigte Digital Fairness Act kann dafür genutzt werden, um ein Verbot von Tracking und personalisierter Werbung durchzusetzen.
Wenn sich digitale Angebote fast ausschließlich über personalisierte Werbung finanzieren, birgt das erhebliche Gefahren für die Demokratie, den sozialen Zusammenhalt, die informationelle Selbstbestimmung, das Klima und die nationale Sicherheit. Mit dem Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat die EU wichtige Grundsteine zum Schutz von Online-Nutzer:innen gelegt. Gleichzeitig zeigen Reaktionen großer Unternehmen auf diese Regelungen, dass ein Paradigmenwechsel im Online-Werbemarkt erforderlich bleibt, da die Freiheit vor manipulativen Praktiken durch die Werbeindustrie beharrlich untergraben wird.
Auch der kürzlich veröffentlichte Digital Fairness Check kommt zu dem Schluss, dass das EU-Verbraucher:innenrecht nicht ausreicht, um Bedenken hinsichtlich der kommerziellen Personalisierung im digitalen Raum auszuräumen. Als Teil der digitalen Infrastruktur sollten sich Plattformen von der Überwachung Einzelner zu Vermarktungszwecken lösen. Alternative (z. B. kontextbasierte) Werbemodelle eröffnen Möglichkeiten, Menschen jenseits des allgegenwärtigen Trackings und Targetings zu erreichen und sie dadurch in Datenverarbeitungsprozessen zu schützen. Um alternative Werbemodelle zu stärken, sollte die neue EU-Kommission digitale Fairness ernst nehmen und ein Verbot von personalisierter Werbung auf den Weg bringen.
"Mehr und detaillierte dazu im PDF"
"Wie Sie gegen unfaire Geschäftspraktiken vorgehen können"
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12.11.2024 12:24
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Wenn der Staat Finanzkriminalität nicht ausreichend verfolgt, ist er krass unfair
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Bis April galt sie als mächtigste Staatsanwältin Deutschlands. Dann quittierte sie den Dienst. Am Samstag (9. November) kam Anne Brorhilker in neuer Funktion nach Frankfurt. Als Co-Geschäftsführerin des Vereins Finanzwende rief sie die Menschen dazu auf, sich im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität zu organisieren. Die Frankfurter Rundschau berichtet:
„Wenn man sich zusammenschließt, kann man viel erreichen!“, sagte sie bei einer Veranstaltung des Vereins Business Crime Control (BCC). Die 51-Jährige kritisierte scharf, dass die Justizbehörden in Deutschland gegen Wirtschaftskriminelle zu schwach aufgestellt seien. „Wir haben zu wenig Richter und zu wenig Staatsanwälte.“ Anne Brorhilker ermittelte zu Cum-Ex: Schaden der Steuerzahler bei 40 Milliarden Euro Bis zu ihrem Rückzug aus dem Staatsdienst war Brorhilker elf Jahre lang als Vorkämpferin gegen die Cum-Ex- und Cum-Cum-Kriminalität hervorgetreten. Bei diesen Tricks hatten deutsche und ausländische Banken Steuerrückerstattungen vom Finanzamt erschlichen, die ihnen nicht zustanden. Den entstandenen Schaden für die Steuerzahlenden bezifferte die Juristin auf rund 40 Milliarden Euro.
Zu dieser Summe beim größten Wirtschaftsverbrechen der Nachkriegsgeschichte habe sie vom entlassenen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) „nichts gehört“.
Von dem angerichteten Schaden hätten Gerichte durch ihre Urteile bisher nur weniger als ein Prozent wieder zurückholen können.
Petition von 327000 Menschen gegen das Bürokratieentlastungsgesetz
Mit einer Petition, die bisher von 327.000 Menschen unterzeichnet wurde, kämpft der Verein Finanzwende gegen das neue Bürokratieentlastungsgesetz der Bundesregierung. Dieses soll es Unternehmen ermöglichen, Dokumente zu ihrem Geschäftsgebaren schon nach acht Jahren zu vernichten – während schwere Steuerhinterziehung erst nach 15 Jahren verjährt. Der Gesetzgeber hat allerdings zuletzt für Banken und für Finanzfonds die Gültigkeit dieser Regelung um ein Jahr verschoben. „Das macht Hoffnung!“, sagte sie.
Das Bürokratieentlastungsgesetz sei in Wahrheit „eine Mogelpackung“
Tatsächlich sollten „Beweismittel vernichtet“ werden. Die frühere Ermittlerin ging vor der Veranstaltung im Gespräch mit der FR auf die Motive für ihr Engagement bei Finanzwende ein. „Bei vielen Menschen gibt es ein Ohnmachtsgefühl, dass gegen Finanzkriminalität zu wenig geschieht“. Das sei „eine gefährliche Ausgangssituation.“ Die Menschen lenkten ihre Wut „in andere Kanäle“, so Brorhilker mit Verweis auf die Erfolge rechtsextremer Kräfte in Deutschland. Dagegen helfe nur Öffentlichkeit: „Das scheint mir der einzige Hebel zu sein.“ Die ehemalige Staatsanwältin ist schon mehrfach öffentlich aufgetreten und sprach von einem „Super-Interesse“ für ihre Veranstaltungen. Ressourcen ungleich: So werden Ermittlungen gegen Finanzkriminalität erschwert.
Nach ihren Worten führen die Justizbehörden in Deutschland in Sachen Cum-Ex und Cum-Cum gegenwärtig Ermittlungen gegen 1800 Beschuldigte. „Es gibt allerdings ein riesiges Dunkelfeld.“ Brorhilker hatte 2013 in Köln eines der ersten Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex eröffnet. Zuvor war bereits die hessische Generalstaatsanwaltschaft aktiv geworden.
Die Juristin verwies auf das sehr schiefe Kräfteverhältnis zwischen der Finanzwirtschaft in Deutschland und den Menschen, die sich gegen Finanzkriminalität engagierten. „Die Ressourcen sind ungleich verteilt.“ Die größten zehn Unternehmen der Finanzwirtschaft in Deutschland investierten im Jahr in ihre Lobbytätigkeit nur im politischen Raum 42 Millionen Euro. Dagegen verfüge der Verein Finanzwende beispielsweise gerade einmal über 30 Mitarbeitende. Brorhilker forderte, das öffentliche Register über Lobbytätigkeiten erheblich auszubauen und zu verschärfen. Es brauche mehr Transparenz. So sei es zum Beispiel für die Öffentlichkeit wichtig zu erfahren, wer an Gesetzentwürfen mitgearbeitet habe.
Olaf Scholz bei Cum-Ex verwickelt: Widerstände gegen die Ermittlungen
Die ehemalige Staatsanwältin unterliegt, wie sie in der Veranstaltung deutlich machte, einer dienstlichen Verschwiegenheit über einzelne Ermittlungsverfahren und Fälle. Sie wollte sich daher auch nicht im Detail zu den Cum-Ex-Verfahren im Zusammenhang mit der privaten Warburg Bank in Hamburg äußern. Dabei hatte die Stadt Hamburg der Bank die Rückerstattung einer zweistelligen Millionensumme an den Staat erlassen, die sie mit Cum-Ex-Tricks verdient hatte. Zuvor hatte es offenbar Treffen zwischen dem Sprecher der Warburg Bank, Christian Olearius, und dem damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz gegeben. Während Olearius die Kontakte in seinem Tagebuch festgehalten hatte, behauptet Scholz, er könne sich nicht erinnern. Dazu sagte Brorhilker vor dem Publikum im Frankfurter Dominikanerkloster lediglich: „Es stand alles im Tagebuch!“ Und weiter: „Bei der Warburg Bank war offensichtlich, dass sie Rückhalt hatte von der Politik.“ Das Verfahren gegen Olearius war wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Bankiers eingestellt worden, „nicht wegen fehlender Beweise“, so die Juristin.
Sie berichtete zudem über erhebliche Widerstände gegen ihre frühere Ermittlungsarbeit als Staatsanwältin. „Ich wurde persönlich diskreditiert und als komische Person dargestellt, die Probleme mit Menschen hat.“
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05.11.2024 14:18
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Das Gegenteil von Fairness
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Da beschleunigt sich ein negativer Trend: Seit knapp anderthalb Jahrzehnten geht die Schere bei den Einkommen in Deutschland zunehmend auseinander. Schreibt Frank-Thomas Wetzel in der Frankfurter Rundschau am 5.11.24. Nun, von dem Trend habe Viele schon erfahren. Er manifestiert das Gegenteil von Fairness in der Gesellschaft. Doch – so schreibt Wetzel weiter: „diese Entwicklung gab es schon in den 2010er-Jahren. Doch mit Corona und dem anschließenden Inflationsschub hat sich insbesondere die Situation der Haushalte in der unteren Hälfte der Einkommensskala noch einmal verschärft. Auch tief in die Mittelschicht steigt die Angst der Menschen, ihren Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Dies geht aus dem aktuellen Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hervor, das zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört.
Das hat auch Auswirkungen auf die Demokratie: Sogar in der Mittelschicht sei mittlerweile die „politische Teilhabe teilweise brüchig“, schreiben die Studienautorin Dorothee Spannagel und ihr Kollege Jan Brülle. Eine zentrale Erkenntnis der Analysen ist, dass die Einkommen immer ungleicher verteilt sind – hier wurde ein neuer Höchstwert erreicht.
Der unter Forschenden international anerkannte Maßstab dafür ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Er reicht von null (alle haben das gleiche Einkommen) bis 1 (eine einzige Person bekommt das gesamte Einkommen eines Landes). 2010 lag der Gini-Wert noch bei 0,282 – im Jahr 2021 war es 0,310. Dies ist auch für die Debatte über den Wirtschaftsstandort Deutschland relevant. Denn in Studien über Wettbewerbsfähigkeit spielt der Gini-Wert eine wichtige Rolle. Je niedriger er ist, umso höher wird die ökonomische und politische Stabilität eines Landes bewertet.
Die WSI-Expert:innen haben sich auch intensiv die Veränderungen angeschaut bei armen und prekären Haushalten sowie bei Personen, die zur „unteren Mitte“ der Einkommensskala gehören. Damit werden alle erfasst, die unter dem Mittelwert (Median) der verfügbaren monatlichen Nettoeinkünfte liegen – das sind 2240 Euro für einen Single.
Besonders drastisch ist die Zunahme bei Personen, die unter „strenger Armut“ leiden – also weniger als 1120 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt. 2010 waren das noch 7,8 Prozent der Menschen in Deutschland. Ihre Zahl kletterte bis 2021 auf 11,3 Prozent. Hierbei handelt es sich um Frauen und Männer, die häufig noch nicht einmal mehr abgetragene Kleidung durch neue ersetzen können. Ins Kino gehen oder der Besuch einer Sportveranstaltung ist nicht drin. Es gibt keinerlei Rücklagen für finanzielle Notlagen.
All dies resultiert aus umfangreichen repräsentativen Umfragen des sozio-ökonomischen Panels, das aktuell bis ins Jahr 2022 reicht. Die Böckler-Stiftung hat in den Jahren 2020 und 2023 zudem 4000 Personen zu ihrer Lebenslage befragt. Ergebnis: 55 Prozent der Menschen in Armut äußerten im vorigen Jahr große oder sehr große Sorgen, ihren ohnehin niedrigen Lebensstandard dauerhaft halten zu können.
Breite Verunsicherung Aber auch bei einer Mehrheit (52 Prozent) der Haushalte in der unteren Mitte – mit maximal 2240 Euro pro Person – sind die Abstiegssorgen groß oder sehr groß. Das bedeutet ein Anstieg um 15 Prozentpunkte innerhalb von nur drei Jahren, die durch die Pandemie, einen Energiepreisschock und massive Ausschläge bei der Inflation geprägt waren.
Selbst in der oberen Mittelschicht hat sich Verunsicherung drastisch ausgebreitet. Die Gruppe der Menschen, die um ihren Lebensstandard fürchten, ist zwischen 2020 und 2024 von 32 auf 47 Prozent in die Höhe geschnellt.
Diese Entwicklung ist eng mit einer wachsenden Enttäuschung über die Demokratie verknüpft. Mehr als die Hälfte der Menschen in Armut und in prekären Verhältnissen ist mit der Demokratie nicht mehr zufrieden. In dieser Gruppe stimmt gut ein Drittel der Aussage zu: „Die regierenden Parteien betrügen das Volk.“ Und immerhin jeder und jede Vierte in der oberen Mittelschicht hält dies ebenfalls für zutreffend. Dies geht einher mit einem verbreiteten Misstrauen gegenüber Polizei und Gerichten.
„Es ist entscheidend, das Teilhabeversprechen glaubhaft zu erneuern, das konstitutiv ist für eine demokratische, soziale Marktwirtschaft“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Dabei müsse die Politik das Rad nicht neu erfinden. Es gelte bewährte Institutionen wieder zu stärken, die leider erodiert seien. Sie zählt auf: „Tarifverträge, eine auskömmliche gesetzliche Rente und eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur.“
Wer diesem Trend, der Armut- und Prekariatsentwicklung nicht Einhalt gebietet wie der FDP-Boss Christian Lindner, befördert strukturelle Unfairness, die in individuelle Unfairness umschlägt und die Gesellschaft noch mehr unter Spannung setzt. Das nützt der AFD und ihren Helfershelfern. Will das Lindner, um seine Lobby zu bedienen und seine Macht zu zeigen? Lindner müsste dringend einen Crash-Kurs in Fairness-Denken und -Praxis absolvieren. Er sollte sich mit dem Buch „Freiheit, Fairness, Fortschritt –Zum normativen Profil liberaler Politik“ des kürzlich verstorbenen ehemaligen FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt befassen. Gibt es bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Oder gleich das Buch Fairness https://www.penguin.de/buecher/norbert-copray-fairness/ebook/9783641050924.
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23.10.2024 10:18
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Cypermobbing, Schulhofmobbing - wie die Schülerszene verroht und was gegen Unfairness helfen kann
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Heutzutage werden Kinder und Jugendliche nicht nur auf dem Schulhof schikaniert, sondern erleben den Hass auch im Netz. Die Zahl der Cybermobbingfälle wird seit Jahren mehr. Unfairness und unfaire Attacken fangen im Kleinen an, erst unbemerkt, werden zum Mobbing-Lernprozess, bis Mobbing und Unfairness zur Gewohnheit wird bzw. von Erwachsenen nicht ernst genommen wird.
Experten geben Tipps, was dagegen hilft, mit Material von Spiegel Online und anderen.
Aus dem Klassenchat entfernt, fiese Beleidigungen unter Tiktok-Posts oder private Fotos, die ungewollt vom Empfänger oder der Empfängerin bei Snapchat weiterverbreitet werden – Cybermobbing hat viele Formen.
Laut einer aktuellen Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ sind knapp ein Fünftel (18,5 Prozent) aller Schülerinnen und Schüler davon betroffen. Und es werden seit Jahren mehr: Im Jahr 2022 lag die Zahl der Betroffenen bei circa 1,8 Millionen, 2024 sind es knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Das hat Folgen für Körper und Psyche: Betroffene klagen nicht nur über Kopf- oder Magenschmerzen, sondern können auch Angst- und Schlafstörungen entwickeln. Sie sind häufiger niedergeschlagen und von Depressionen geplagt. Besonders erschreckend ist die steigende Zahl der Betroffen mit Suizidgedanken. Mehr als jede vierte Person (26 Prozent) äußerten derartige Gedanken. Laut aktueller Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ sind das mehr als 500.000 Schülerinnen und Schüler.
Große Scham: Betroffene vertrauen sich ihren Eltern nicht an
Wenn Kinder sich zurückziehen, nicht mehr so lebhaft sind wie vorher, immer wieder über Bauchschmerzen klagen oder nicht zur Schule gehen wollen, könnte das für Eltern ein Hinweis auf Mobbing und Cybermobbing sein. Das Problem: Oft schämen die betroffenen Kinder und Jugendlichen sich so sehr, dass sie sich nicht ihren Eltern anvertrauen wollen. Deshalb richten sich viele Interventionsangebote direkt an die Betroffenen: Die Erste-Hilfe-App bei Cybermobbing der Initiative Klicksafe, die „Nummer gegen Kummer“, der Krisenchat oder die Onlineberatung Juuuport können erste Anlaufstellen sein.
„Wir erhalten etwa zehn Anfragen pro Tag, der Großteil davon betrifft Cybermobbing“, sagt Lennart Hesse-Sörnsen von Juuuport. Die Ratsuchenden schreiben sich per Kontaktformular oder Whatsapp an Juuuport ihre Probleme von der Seele. „Meist schreiben sie uns, dass sie aus dem Klassenchat ausgeschlossen oder dort beleidigt werden, fiese Kommentare unter Instagram-Posts erhalten oder Fotos unschön bearbeitet und dann verbreitet werden“, sagt Hesse-Sörnsen. Zudem betreiben auch schon jugendliche Mobber Identitätsdiebstahl und erstellen Fake-Profile, zum Beispiel auf Dating-Apps. Manche erschleichen sich auch private, potenziell bloßstellende Informationen oder intime Fotos von ihren Opfern, indem sie psychischen Druck aufbauen und sie erpressen. Diese verbreiten sie dann weiter – und schädigen den Ruf der betroffenen Person. Cybermobbing kann im schlimmsten Fall bis hin zu Gewalt- und Todesandrohungen im Netz führen. Weil Täterinnen und Täter die emotionale Reaktion ihrer Opfer nicht unmittelbar erleben, werden sie sich der Schwere und Folgen ihres Handelns nicht bewusst, vermuten Fachleute.
Können sich unsere Kinder an den Schulen noch sicher fühlen, Herr Wachs?
Eine Umfrage legt nahe, dass die Gewalt an Schulen zunimmt. Doch stimmt das? Und wenn ja, wie lässt sich diese Entwicklung erklären – und was können Schüler, Lehrkräfte und Schulen tun, um Gewalt zu verhindern? Erziehungswissenschaftler Sebastian Wachs klärt im RND-Interview auf.
Cybermobbing ist nicht so anonym wie gedacht
Manche Täterinnen und Täter posten ihren Hass unter ihrem Klarnamen, andere nutzen Pseudonyme. „Das Dramatische daran ist, dass die Täterinnen und Täter meist nicht wirklich anonym sind, sondern die Betroffenen sie aus der Schule kennen“, sagt Hesse-Sörnsen. Kinder und Jugendliche wissen dann: Das Mobbing steht im Zusammenhang mit meiner Schule, aber wer genau dahintersteckt, das ist oft unklar. Das erschwert es Betroffenen auch, konkret nachzuweisen, wer sie im Netz angegriffen hat – und gezielt darauf zu reagieren.
„Cybermobbing ersetzt das Schulhofmobbing nicht, sondern verlängert es noch.“
Cybermobbing ist für Betroffene so schlimm, weil es omnipräsent ist. „Cybermobbing ersetzt das Schulhofmobbing nicht, sondern erweitert es noch“, sagt Hesse-Sörnsen. Auch nach der Schule sind Kinder und Jugendliche rund um die Uhr der Schikane ausgesetzt und können nicht abschalten. Hinzu kommt, dass die beleidigenden Inhalte oft lange im Netz stehenbleiben und kopiert oder weitergeleitet werden können. Eine Situation, die viele Betroffene als ausweglos empfinden.
„Mobbing ist ein Gruppenphänomen“
Welche Gründe es für Cybermobbing gibt, ist wissenschaftlich nicht eindeutig erforscht. Laut dem Entwicklungspsychologen und Mobbingforscher Herbert Scheithauer liegen Cybermobbing jedoch ähnliche Dynamiken zugrunde wie dem „klassischen“ Mobbing. „Mobbing ist ein Gruppenphänomen“, sagt er. Deshalb gebe es auch nicht den einen Grund, der Mobbing erkläre.
Herbert Scheithauer forscht zu Cybermobbing und Mobbing. Er ist Professor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Freien Universität Berlin und hat dort das Projekt Medienhelden entwickelt, das der Mobbingprävention an Schulen dient.
Gewisse Risikofaktoren seien aber schon nachweisbar: Kinder und Jugendliche, die schüchtern sind, weniger Freunde haben oder anders aussehen als andere, werden häufiger gemobbt. Ein geringes Selbstvertrauen erhöht nicht nur das Risiko, gemobbt zu werden, sondern auch dafür, andere aktiv zu mobben. Wer durch Eltern oder andere Familienmitglieder vorgelebt bekommt, Konflikte mit Gewalt zu lösen, zeigt häufiger aktiv mobbendes Verhalten.
Auch mobben Jungen tendenziell häufiger als Mädchen. „Aber nicht alle, die gewisse Risikofaktoren aufweisen, handeln auch danach – und nicht bei allen, die mobben oder gemobbt werden, liegen diese Faktoren vor“, sagt Scheithauer.
Es gibt nicht bloß „den Täter“ und „das Opfer“ Scheithauer warnt außerdem vor dem Schwarz-Weiß-Denken im Sinne von „der Täter“ und „das Opfer“. Das helfe nicht weiter und sei zudem auch noch falsch. Erstens sind oft weit mehr Personen an Mobbing beteiligt als zunächst gedacht: So gibt es neben aktiv Mobbenden auch Mitläuferinnen, Assistenten, Verstärkerinnen, potenzielle Verteidiger oder Außenstehende, die zwar vom Mobbing etwas mitbekommen, aber nichts dagegen unternehmen. Und zweitens können diese Rollen auch wechseln. Wer auf dem Schulhof gemobbt wird, schließt sich manchmal auch mit anderen zusammen und nutzt Cybermobbing als Mittel, um sich anonym zu rächen. Dass sie diese verschiedenen Rollen einnehmen, ist Kindern und Jugendlichen oft nicht bewusst. Um Mobbing und Cybermobbing zu bekämpfen, sind laut Scheithauer drei Dinge wichtig: Intervention wie bei Juuuport, der Dialog in Familien und Mobbingprävention an Schulen.
Handyverbote sind oft an die Falschen adressiert
Bei Juuuport erhalten die Betroffenen Antwort von anderen jungen Menschen. Diese sogenannten Scouts werden durch Psychologinnen und Medienpädagogen der Beratung geschult. „Sie kennen die Themen und Plattformen aus eigener Erfahrung und sind mehr oder weniger gleich alt wie die Ratsuchenden“, so Hesse-Sörnsen. Er sieht einen großen Vorteil im Austausch auf Augenhöhe. Denn Betroffene von Cybermobbing schämen sich oft und haben außerdem Angst, dass Eltern ihnen bei diesen Themen ohnehin nicht helfen könnten, weil sie keine Ahnung von Whatsapp, Tiktok und Co. haben. Darüber hinaus befürchten sie, dass ihnen die Schuld zugewiesen wird oder ihre Eltern ihnen das Handy wegnehmen. Solche Verbote lösen aber nicht die zugrundeliegenden Konflikte – und sind oft an die Falschen adressiert. Bei Juuuport beraten Kinder und Jugendliche Gleichaltrige bei Problemen im Internet. Ausgebildet werden die ehrenamtlichen Scouts von Medienpädagogen und Psychologinnen der Onlineberatungsstelle.
Die Autorin Leonie Lutz und Pädagogin Anika Osthoff sagen: Eltern sollten wissen, was ihre Kinder im Internet treiben, welche Spiele sie auf dem Smartphone spielen, in welchen sozialen Netzwerken ihre Teenager angemeldet sind und was sie dort konsumieren und produzieren. Absolutes No-Go: Den Kindern, vor allem Jugendlichen, heimlich hinterherschnüffeln oder ihre Nachrichten mitlesen.
Stattdessen empfehlen Lutz und Osthoff in ihrem Buch „Begleiten statt verbieten“ ein Familienritual: Einmal im Monat oder in einem anderen Zeitrahmen kommt die Familie zusammen, um sich ein Update in digitalen Medien zu geben. Eltern und Kinder zeigen dann einander neue Apps, spannende Social-Media-Accounts, drehen gemeinsam Videos oder spielen Spiele. Das schafft nicht nur Raum für Austausch, sondern ist auch eine Gelegenheit, um regelmäßig über gute Kommunikation, Chancen und Risiken im Netz zu sprechen und Grenzen zu formulieren: Wie lange und wofür sollten wir digitale Medien nutzen? Welche Regeln gelten im digitalen Raum und welche Rechte habe ich im Netz?
Herbert Scheithauer hält all diese Ideen für sinnvoll, sagt aber auch: Nicht alle Kinder und Jugendlichen haben Eltern, die so bemüht um das Wohlbefinden und die Medienkompetenz ihrer Kinder sind. Deshalb sieht er Schulen als zentralen Ort für Medienbildung und Prävention von Cybermobbing. In der Hinsicht passiere an Schulen noch zu wenig, obwohl digitale Medien eine riesige Rolle im Leben junger Menschen spielen. „Das ist, als würde ich rund um die Uhr Auto fahren, ohne je eine Fahrschule besucht zu haben.“
Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass mein Kind gemobbt wird?
"Darin die Nummer gegen Kummer usw. für junge Leute - auch für Eltern relevant"
Interesse zeigen und ansprechbar sein: Häufig wenden Kinder sich nicht an ihre Eltern, wenn sie von Cybermobbing beziehungsweise Mobbing betroffen sind. Sie befürchten, Ärger oder Internetverbot zu bekommen, sind peinlich berührt und schämen sich oder denken, dass ihre Eltern sie sowieso nicht verstehen und die Plattformen nicht kennen. Bieten Sie sich immer wieder als Ansprechperson an und schaffen Sie Vertrauen zu Ihrem Kind.
Bleiben Sie auf dem Laufenden: Wie geht es Ihren Kindern in der Schule? Erkundigen Sie sich regelmäßig, aber möglichst beiläufig, wie das Sozialleben in der Schule klappt. Was machen Ihre Kinder in sozialen Netzwerken? Führen Sie zum Beispiel gemeinsame Medienrituale als Familie ein und lassen Sie sich die Apps erklären, die Ihre Kinder nutzen. Auch Bücher, Podcasts oder Newsletter und Infoabende von den Landesmedienanstalten oder dem Bündnis gegen Cybermobbing können helfen.
Lassen Sie Ihr Kind mit den Problemen nicht allein: Hat sich Ihr Kind Ihnen anvertraut, unterstützen Sie es, verbringen Sie Zeit mit ihm beziehungsweise sorgen Sie dafür, dass es vom sozialen Umfeld, von Freundinnen und Freunden unterstützt wird. Entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, ob und wann Schulsozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer oder Eltern der mobbenden Kinder informiert werden. Stiften Sie Ihr Kind nicht zu Racheakten an, sondern überlegen Sie sich deeskalierende Strategien.
Dokumentieren Sie die Vorfälle: Machen Sie (bei Cybermobbing) Screenshots der Kommentare oder Beleidigungen und dokumentieren Sie möglichst genau, was wann und wo geschehen ist. Wenden Sie sich an die Plattformbetreiber: Wenn Ihr Kind Cybermobbing erlebt, sollten Sie den Betreiber der Internetplattform informieren, über die Ihr Kind gemobbt wurde. Dieser ist dazu verpflichtet, die Verunglimpfungen aus seinem Angebot zu löschen. Bei Fragen oder Problemen können Sie sich an eine Beschwerdehotline wie zum Beispiel www.jugendschutz.net wenden.
Prüfen Sie rechtliche Schritte: In einigen Fällen ist Mobbing strafrechtlich relevant, zum Beispiel bei massiven Beleidigungen und Drohungen oder groben Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Erstatten Sie gegebenenfalls Anzeige gegen die Täter.
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15.10.2024 10:06
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Armut in einem wohlhabenden Land: krasse Unfairness gegen Benachteiligte
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17. Oktober 2024: Tag zur Beseitigung der Armut - Die Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, Sirkka Jendis, fordert eine Zeitenwende in der Sozialpolitik.
Wenn Zigtausende Menschen trotz Arbeit nicht genug Geld zum Leben haben, wenn mehr als eine Million Kinder von Armut betroffen sind, wenn jetzt schon und in Zukunft noch viel mehr Rentner verarmen, wenn Alleinerziehende armutsgefährdet sind und wenn mehr als die Hälfte der deutschen Kommunen von der Zahlungsunfähigkeit bedroht ist, dann hat Armut System.
Sirkka Jendis – Geschäftsführerin der Tafel Deutschland – fordert eine soziale Zeitenwende und fragt: "Wie kann es sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt so viele Bürgerinnen und Bürger auf Unterstützung durch vielfältiges ehrenamtliches Engagement angewiesen sind? Können wir es uns leisten, Teile der Bevölkerung auszugrenzen? Können wir einen Bruch mit dem Gesellschaftsvertrag begehen, der soziale Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft verspricht? Und welche Konsequenzen hat die wachsende soziale Ungleichheit für unsere Demokratie?"
Sirkka Jendis schildert eindrücklich, was Armut im Alltag für Betroffene bedeutet. Sie analysiert verschiedene Dimensionen von Armut und stellt konkrete Forderungen an die Politik von der Reform des Rentensystems über den Ausbau von Betreuungseinrichtungen bis hin zur Förderung von Bildung- und Chancengerechtigkeit über das bisherige Maß hinaus.
Ihr persönliches Engagement verbindet Sirkka Jendis mit gesellschaftspolitischer Schärfe. So entsteht ein eindrückliches Plädoyer für ein neues Menschenbild und eine wirksame Armutsbekämpfung. Radikales Umdenken ist nötig, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht – in der Bildung, zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen.
Sirkka Jendis ist Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, dem Dachverband von über 970 Tafeln in Deutschland. Zuvor war die studierte Kommunikationswissenschaftlerin Vorständin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Dozentin und in leitender Funktion in der ZEIT-Verlagsgruppe tätig. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Berlin.
"Gespräch mit Sirkka Jendis im WDR (38 Min.)"
"Jendis im NDR-TV"
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10.10.2024 09:48
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Woche der Seelischen Gesundheit im Oktober 2024
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Vom 10. bis 20. Oktober 2024 findet die diesjährige Aktionswoche unter dem Motto „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz” statt. Betriebe und Beschäftigte sollen stärker für psychische Belastungen sensibilisiert und wichtige Fragen in den Fokus gerückt werden: Wie schaffen wir es, im Arbeitsalltag trotz Dauerstress und Personalmangel gesund zu bleiben? Wie können Betroffene besser integriert werden? Und wie können wir der Stigmatisierung offen entgegenwirken?
Die Aktionswoche möchte auf die unterschiedlichen Strategien zur Bewältigung und auf das vielfältige psychosoziale Hilfsangebot in Deutschland aufmerksam machen sowie zum gemeinsamen Austausch und gegenseitiger Unterstützung aufrufen.
Jährlich beteiligen sich deutschlandweit rund 50 Regionen und Städte mit über 800 Events regional vor Ort und online. Ob Vorträge, Workshops, Podcasts oder Kunstausstellungen – alle sind eingeladen, bei verschiedenen Veranstaltungsformaten und Aktionstagen die kleinen und großen Angebote der psychiatrischen und psychosozialen Einrichtungen in ihrer Umgebung kennenzulernen.
Die Veranstaltungen der Aktionswoche sind in der Regel kostenfrei und richten sich an alle Generationen. Sie tragen dazu bei, Berührungsängste abzubauen und Betroffene sowie deren Angehörige einzubinden. Die Angebote wollen jeden motivieren, sich Hilfe zu suchen und vor allem Präventions- und Beratungsangebote in der Nähe kennenzulernen.
Unser Mobbingscout bietet stets zahlreiche Hilfen und Kontakte vor allem bei psychischen Belastungen und Bedrängnissen - auch über Mobbingsituationen hinaus: "Der Mobbingscout"
Darüber hinaus weitere Hilfestellungen: "Erste Hilfe und Selbsthilfe bei unfairen Attacken und ihren Folgen"
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01.10.2024 12:38
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Täuscht Aldi Süd bei Rabatten - und führt in die Irre?
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Im Streit um irreführende Angebote hat der Discounter Aldi-Süd eine Niederlage vor dem höchsten europäischen Gericht kassiert.
Wenn etwa in Prospekten ein Rabatt angegeben werde, müsse dieser sich auf den niedrigsten Preis der vergangenen 30 Tage beziehen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH). So sollen Händler daran gehindert werden, Verbraucher irrezuführen, indem sie Preise erst erhöhen, dann wieder reduzieren »und damit gefälschte Preisermäßigungen ankündigen«.
Hintergrund ist eine Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie begrüßte das Urteil und erwartet künftig deutlich mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Im konkreten Fall wurde mit dem Slogan »Deutschlands bester Preis« unter anderem für Bananen und Ananas geworben. Bei den Ananas war nach Angaben des EuGH die Rede von einem »Preis-Highlight« von 1,49 Euro pro Stück. Daneben durchgestrichen stand ein Preis von 1,69 Euro. Kleingedruckt war allerdings zu lesen, dass der niedrigste Preis der vergangenen 30 Tage bei 1,39 Euro lag – und damit unter dem sogenannten Preis-Highlight. Preisreduzierung nur vorgetäuscht Bei Bananen wurde neben dem Preis von 1,29 Euro pro Kilo ein Rabatt von 23 Prozent und ein durchgestrichener Preis von 1,69 Euro angegeben. Kleingedruckt gab der Discounter auch hier den günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage an – der lag allerdings ebenfalls bei 1,29 Euro.
Seit knapp zwei Jahren müssen Händler bei jeder Preisermäßigung als Referenz den günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage angeben. Die Verbraucherzentrale argumentierte aber, dass Rabatte sich dann auch auf den günstigsten Preis beziehen sollten – und nicht auf den Preis unmittelbar vor Beginn des Angebots.
Es reiche nicht, so wie Aldi-Süd den günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage nur anzugeben, den Rabatt darauf aber nicht zu beziehen. »Mit diesem Trick täuschte Aldi eine ernsthafte Preisreduzierung vor, tatsächlich dürfte jedoch der gestrichene Preis nur deshalb kurz zuvor heraufgesetzt worden sein, um anschließend mit einer attraktiven Preisreduzierung werben zu können«, teilte Cornelia Tausch, Vorständin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, mit. Der Argumentation folgten die Richter in Luxemburg weitestgehend. Nun muss das Gericht in Düsseldorf über den konkreten Fall entscheiden und dabei die Rechtsprechung des EuGH beachten.
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27.09.2024 14:22
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Fabrik in Grünheide – Tesla verteidigt Hausbesuche bei Krankmeldung
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Führungskräfte des Tesla-Werks in Grünheide haben häufig krankgeschriebene Mitarbeiter zuhause aufgesucht. Der Werksleiter verteidigt das Vorgehen - die Gewerkschaft IG Metall spricht von einer "abwegigen Aktion".
Tesla-Mitarbeiter des Werks in Grünheide bei Berlin müssen weiterhin mit unangekündigten Hausbesuchen wegen häufiger Krankschreibungen rechnen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hat Manager André Thierig dieses Vorgehen verteidigt: "Wir wollten an die Arbeitsmoral der Belegschaft appellieren." Hausbesuche seien nichts Ungewöhnliches - "das machen viele Unternehmen".
Mitarbeiter mit hohen Fehlzeiten "nicht ehrenhaft"?
Die IG Metall hat dazu eine gänzlich andere Meinung: Sie kritisiert eine sehr hohe Arbeitsbelastung in der Autofabrik und bezeichnete die Hausbesuche als "nächste abwegige Aktion gegen den seit Langem deutlich überdurchschnittlichen Krankenstand in der Gigafactory".
Zuvor hatte das "Handelsblatt" über die Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern berichtet. Die Zeitung bezog sich auf eine ihr vorliegende Tonbandaufnahme von einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche. Demnach beschimpften Werksleiter André Thierig und Personalchef Erik Demmler Mitarbeiter mit hohen Fehlzeiten als "nicht ehrenhaft".
Auslöser für die unangekündigten Hausbesuche ist laut Tesla ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand in den Sommermonaten gewesen. "Phasenweise hat er 15 Prozent oder mehr erreicht", sagte Thierig. Auf der Betriebsversammlung habe man die Belegschaft über die Hausbesuche informiert und das Vorgehen dargelegt. Es sei auf große Zustimmung der Belegschaft gestoßen, so der Werksleiter. Zuvor habe es bereits das Feedback gegeben, dass Beschäftigte wegen der hohen Abwesenheit ihrer Kolleginnen und Kollegen frustriert seien.
"Wir haben gut 200 Mitarbeiter festgestellt, die sich in der Lohnfortzahlung befinden, aber die in diesem Jahr noch gar nicht arbeiten waren. Sie bringen mindestens alle sechs Wochen neue Krankmeldungen", sagte Thierig. "Wir haben uns zwei Dutzend Fälle herausgesucht." Nicht er selbst, aber der Fertigungs- und der Personalleiter hätten dann unangekündigt Hausbesuche bei den Beschäftigten gemacht. "Ein Großteil wurde nicht angetroffen, teils war sehr aggressives Verhalten zu spüren."
IG Metall macht Werksleitung für Krankenstand verantwortlich
Die Gewerkschaft IG Metall zeigte sich angesichts des außerordentlich hohen Krankenstands bei den Tesla-Mitarbeitern ebenfalls alarmiert - allerdings sieht sie die Schuld dafür weniger bei den einzelnen Mitarbeitern als bei der Werksleitung. Beschäftigte aus fast allen Bereichen des Werks berichteten von "extrem hoher Arbeitsbelastung", sagte Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. Wenn Personal fehle, setze Tesla die Kranken unter Druck und überlaste die noch Gesunden mit zusätzlicher Arbeit. "Wenn die Werksleitung den Krankenstand wirklich senken will, sollte sie diesen Teufelskreis durchbrechen", so Schulze. IG Metall stellt größte Gruppe Neuer Tesla-Betriebsrat gewählt. Im neuen Betriebsrat von Tesla in Grünheide liegt die IG Metall vorn - zum Missfallen von Elon Musk.
Werksleiter: Arbeitsbedingungen nicht der Grund
Aus Sicht der Werksleitung bei Tesla liegt der Grund für den Krankenstand nicht bei den Arbeitsbedingungen. "In unseren Analysen zur Anwesenheit sind Phänomene offensichtlich geworden: freitags und in Spätschichten sind circa fünf Prozent mehr Mitarbeiter krankgemeldet als an anderen Wochentagen", sagte Thierig.
"Das ist kein Indikator für schlechte Arbeitsbedingungen, denn die Arbeitsbedingungen sind an allen Arbeitstagen und in allen Schichten gleich. Es suggeriert, dass das deutsche Sozialsystem ein Stück weit ausgenutzt wird." Tesla habe mehr als 1.500 Leiharbeitnehmer, die unter den gleichen Bedingungen arbeiteten. Hier liege der Krankenstand bei zwei Prozent.
Tagesschau v. 26.9.24
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